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 Im Tempel der Wildgänse

Autoren: Tsutomu Mizukami
Herausgeber: Eduard Klopfenstein
Übersetzer: Verena Werner
Verlag: Bebra

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Satoko ist eine Frau, zweiunddreißig Jahre alt, die dank ihrer weiblichen Rundungen, ihrer blassen Haut und der schmalen Taille viele Männer für sich einnimmt. So auch Kishimoto Nangaku, der sich in Kyôtos Malerkreisen einen Namen gemacht hat. Satoko ist viele Jahre lang seine Geliebte. Als er im Herbst 1933 stirbt, übergibt er Satoko der Obhut des Abtes Jikai, seines früheren Meisters. Jikai, der die Blüte seines Lebens schon überschritten hat, hat bis zu diesem Zeitpunkt im Zölibat gelebt, doch er hat Satoko immer begehrt. Er nimmt sie mit in seinen Tempel, den Nangaku vor vielen Jahren mit den eindrucksvollen Zeichnungen von Wildgänsen verziert hat.
Jikai gibt sich der Begierde hin und Satoko wird seine heimliche Geliebte, nicht wirklich widerwillig, aber Gefühle hat sie keine für Jikai. Außer Satoko und Jikai lebt noch der junge Novize Jinen im Tempel. Ein schweigsamer, mürrischer Junge, dessen Körper zu klein ist, während sein Kopf groß und deformiert erscheint. Jinen ist klug, fleißig und folgsam, aber er hat auch etwas Unheimliches an sich und um seine Vergangenheit ranken sich viele Geheimnisse.

Eines Tages verschwindet der Abt Jikai spurlos. Satoko ist besorgt. Ist Jikai etwas zugestoßen? Das ist nicht unwahrscheinlich, schließlich war Jikai für seinen maßlosen Alkoholkonsum berüchtigt und ist möglicherweise im Wald verunglückt. Oder aber er hat, trotz seines hohen Alters, eine Pilgerreise unternommen. Was jedoch wirklich mit dem Abt geschehen ist, kann niemand ahnen ...

"Im Tempel der Wildgänse" ist ein preisgekrönter Roman des anerkannten japanischen Autors Mizukami Tsutomo. Dieser erzählt eine Geschichte, die auf sehr subtile Art und Weise das Schicksal von Jinen und Satoko beleuchtet, ihre Einsamkeit darstellt und auch ihre Sehnsüchte und Begierden aufzeigt.

Mizukamis Erzählstimme wird auf westliche Leser, die noch keine Erfahrungen im Bereich der japanischen Literatur gemacht haben, sehr ungewöhnlich wirken. Seine Sprache ist poetisch, wirkt bisweilen aber auch aufgesetzt oder altmodisch. Auch die Struktur des Romans gleicht kaum westlichen Krimis, vermag aber trotzdem zu fesseln, was sich vor allem dadurch begründen lässt, dass Mizukami den Leser auf falsche Fährten lockt, bis er die Auflösung des Falls präsentiert. Dies dauert jedoch eine Weile, denn der Fokus des Krimis liegt keineswegs auf Jikais Verschwinden, es wird viel mehr Wert auf die Einführung der Figuren, auf ihr Leid und ihre Leidenschaften gelegt.

Besonders gelungen ist Mizukamis feinsinnige Charakterisierung der Protagonisten und die Schilderung des Tempelalltags beziehungsweise dem, was hinter den Tempelmauern geschieht und was niemand wissen darf. Diese sehr authentisch wirkende Schilderung verwundert den Leser nicht, wenn er einen Blick auf die Biographie des Autors wirft oder das sehr informative Nachwort von Eduard Klopfenstein liest. Denn Mizukami war selbst einmal Novize in einem Tempel in Kyôto, musste dort einem Ehepaar dienen und fühlte sich oft einsam. Sein Leben weist einige interessante Parallelen zu diesem Roman auf, was ein ganz neues Licht auf die Lektüre wirft.

Abgerundet wird der Roman durch ein hilfreiches Glossar, das japanische Namen und Begriffe erklärt.

Wer einen unkonventionellen Krimi oder ganz allgemein Literatur aus dem Land der aufgehenden Sonne lesen möchte, der kann bei "Im Tempel der Wildgänse" guten Gewissens zugreifen.

Linda Dannenberg



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2008 | ISBN: 9783861249047 | Originaltitel: Gan no tera | Preis: 19,90 Euro | 153 Seiten | Sprache: Deutsch

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