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 Der verwaiste Thron, Band 1: Sturm

Serie: Der verwaiste Thron, Band 1
Autoren: Claudia Kern
Verlag: Blanvalet

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Mal abgesehen vom Bereich der Jugend- beziehungsweise All Age-Fantasy ist das mit "deutscher Fantasy" ja noch immer so eine Sache. Anders als in den USA, wo man den Trend, kleine und größere Reihen aus Versatzstücken tolkienesker Literatur zusammenzuschustern - und das auch viel zu oft nicht sonderlich gut - bereits Ende der achtziger Jahre hinter sich gelassen hat, kommen die Werke vieler deutscher Autoren noch immer viel zu oft recht uninspiriert daher. Da ist eine gewisse Skepsis wohl angebracht, wenn der Blanvalet-Verlag das Fantasy-Debüt der deutschen Autorin Claudia Kern als "überwältigende Saga [...] für alle Leser von George R. R. Martin" bezeichnet. Sehr schnell stellt sich beim Lesen heraus, dass die Befürchtung, "Sturm" würde sich um ein billiges Plagiat handeln, erfreulicherweise gänzlich unberechtigt ist. Ganz im Gegenteil! Mit dem Auftaktband ihrer Trilogie ist Kern ein Debüt gelungen, das den Vergleich mit der internationalen Konkurrenz nicht zu fürchten braucht.

Im Mittelpunkt der Erzählung stehen die Geschwister Ana und Gerit Somerstorm, deren Leben sich über Nacht drastisch ändert: Die düstere, raubtierhafte Halbmenschenrasse dringt in die Burg ein und ermordet ihre Eltern - Fürst und Fürstin von Somerstorm - und deren Gefolge. Während Ana dank der Hilfe ihres Leibwächters noch rechtzeitig fliehen kann, bleibt Gerit sich selbst überlassen und versucht, sich so gut wie möglich in den Geheimgängen der Burg zu verstecken. Mit zunehmendem Schrecken beobachtet er, wie die Nachtschatten ihren Herrschaftsanspruch über das Fürstentum ausweiten und ihm wird bald klar, dass sie auch vor Landesgrenzen nicht Halt machen wollen. Ana unterdessen versucht, durch feindliche Linien hindurch das Fürstentum Westfall zu erreichen, wo sie sich Hilfe von ihrem Verlobten erhofft. Obwohl ihr Leibwächter sie vor jeglichen Gefahren zu beschützen versucht, fragt sie sich bald, welches Geheimnis er mit sich herum schleppt.

Gewisse Ähnlichkeiten zu George R. R. Martins "Lied von Eis und Feuer" lassen sich bei "Sturm" tatsächlich nicht wegleugnen: das raue Land im hohen Norden, die dräuende Bedrohung durch eine geheimnisvolle, nichtmenschliche Rasse und nicht zuletzt der Orden der Trauernden Klinge, der gewisse Parallelen zur Nachtwache Westeros aufweist. Dennoch wirkt "Der verwaiste Thron" keinesfalls wie ein schlechtes Rip Off, sondern ist eher ein Roman in der Tradition von Martins Saga. Atmosphärisch wirkt Kerns Werk ganz anders - statt multipler Point-of-View-Charaktere begnügt sich "Sturm" mit drei Hauptfiguren, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Wo ein Martin, Williams oder Goodkind sich gern mal über zwanzig Seiten in detaillierten Beschreibungen und Nichtigkeiten verlieren, erweist Kern sich sowohl erstaunlich als auch begrüßenswert knapp und auf das Wesentliche beschränkt. Obwohl das Buch der Auftakt zu einem High Fantasy-Zyklus ist, das durchaus einen epischen Flair verströmt, kommt es mit überschaubaren 366 Seiten aus. Kein einziges Wort scheint überflüssig. Ob das Kerns natürlichem Stil zu verdanken ist oder einer akribischen Überarbeitung mit dem Rotstift ist zwar unbekannt, aber eigentlich auch egal - denn das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Handlung weist keine einzige Länge auf, die Geschichte verliert nie an Tempo und trotzdem hat der Leser nicht das Gefühl, dass dem Buch der epische Grundton fehlt. Das liegt vor allem daran, dass Kern ein Talent dafür hat, mit wenigen Worten atmosphärisch dichte Bilder zu schaffen. Dabei vermeidet sie abgegriffene Metaphern, sondern findet treffende neue. Besonders erwähnenswert sind die kurzen Passagen aus einem fiktiven Reiseführer, der die einzelnen Kapitel einleitet: Diese sind nicht nur wirklich humorvoll, sondern vermitteln dem Leser mit wenigen Worten ein sehr komplexes Bild der Welt, in der die Handlung angesiedelt ist.

Allenfalls einen etwas detaillierten Einblick in das Wesen der Charaktere bleibt bei so viel Handlung ein bisschen auf der Strecke. Man bekommt zwar ein gutes Gefühl dafür, was in Ana, Gerit und Craymorus - ein verkrüppelter Gelehrter und dritte Hauptfigur des Romans - vorgeht, ein bisschen mehr Tiefe könnte aber auch nicht schaden. Das Buch lebt da vielmehr von seinem hohen Erzähltempo und der einen oder anderen überraschenden Wendung. Der Schluss kommt dann doch etwas abrupt und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Kern um die große Schlacht zum Höhepunkt hin etwas herummogelt. Das verzeiht man ihr jedoch gern, schließlich folgen "Sturm" noch mindestens zwei weitere Bände, mit denen sie dem Leser ihre Welt und ihre Figuren noch weiter vorstellen kann. Wenn Teil zwei und drei sich durch ein gleich hohes Niveau auszeichnen wie Teil eins, dann hat Claudia Kern mit "Der verwaiste Thron" ins Schwarze getroffen.
Das ist deutsche Fantasy, die sich sehen lassen kann!

Christian Handel



Softcover | Erschienen: 01. August 2008 | ISBN: 9783442244201 | Preis: 13,00 Euro | 368 Seiten | Sprache: Deutsch

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