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 FANTASIA, Band 127: Der Traum in der phantastischen Literatur

Serie: FANTASIA, Band 127
Autoren: Erik Hauser
Verlag: EDFC

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Seit jeher übte der Traum eine einzigartige Faszination auf den Menschen aus, welche selbst im Zeitalter des dogmatischen Rationalismus ungebrochen bleibt. Kunst und Literatur, Film und Fernsehen haben sich seiner angenommen und spiegeln den Zauber des Phänomens Traum wider. Besonders Autoren der phantastischen Literatur greifen oft auf ihn zurück, spielen hier doch zwei Spieler den Ball des Phantastischen und nicht selten scheinbar Unmöglichen kongenial hin und her. Gerade aufgrund der faszinierenden Aura, die der Traum ausübt, mag es merkwürdig anmuten, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik erst 1997 vorgelegt worden ist. Nun hat - dank des Ersten Deutschen Fantasy Clubs e. V. - Erik Hausers Dissertation "Der Traum in der phantastischen Literatur" den Weg in den Buchhandel gefunden.

In die Sekundärliterarische Reihe des EDFC aufgenommen, legt der deutsche Gymnasiallehrer und Schriftsteller Erik Hauser mit seiner Dissertation in Buchform eine typologische Untersuchung explizit zum Traum in der phantastischen Literatur vor. Schon das Inhaltsverzeichnis führt die klare Strukturiertheit und den größtenteils konsequenten Aufbau der Arbeit vor Augen. Den Beginn macht ein der Definition von Traum und phantastischer Literatur gewidmetes einleitendes Kapitel. Hauser gräbt zu beiden die vorhandenen und nicht selten konkurrierenden Theorien und Modelle aus und vergleicht sie, ehe er auf die Rolle des Traums in der phantastischen Literatur selbst eingeht. Es ist positiv anzumerken, dass sich Hauser als Kenner und Könner der unterschiedlichen Theorien zur Phantastik entpuppt: Er bedient sich nicht einfach der einzelnen Versatzstücke, welche sich als produktiv für seine Dissertation herausstellen, sondern deckt auch Imitationen und Nachahmungen unter den einzelnen Modellen auf, hebt Vorteile hervor und kritisiert ihre Schwächen. Ähnlich verhält es sich zum Kapitel der Traumdefinition, doch wirkt es hier stellenweise, als ob der Autor "sich habe treiben lassen", bevor er sich auf sein Konzept zurückbesinnt. Nach diesen ersten Kapiteln stellt Hauser sein in der weiteren Untersuchung angewandtes Typenkreismodell vor, welches sich aus den unterschiedlichen Beziehungen zwischen Traum und - fiktionaler, da von Schriftstellern verfassten - Wirklichkeit zusammensetzt. Im Anschluss daran unterzieht er die ausgewählten Primärtexte einer typologischen Analyse auf die darin vorhandenen Relationen von Traum und (Wach-)Wirklichkeit sowie auf die Erscheinungsformen von Träumen. Dabei beschränkt sich Hauser nicht engstirnig rein auf die phantastische Literatur, sondern analysiert auch das eine oder andere hochliterarische Werk wie etwa Grillparzers "Der Traum, ein Leben" und zeigt somit Konvergenzen und Divergenzen zwischen dem Traum in der Literatur im Allgemeinen und jenem in der Phantastik im Speziellen auf.

Auf rund 200 Seiten gewährt Hauser einen Einblick in diese interessante Materie, der aufgrund der kaum überschaubaren Masse an infrage kommender Literatur - wie Hauser selbst zugeben muss - gewiss nicht alle Lecks zur vollsten Zufriedenheit abzudichten in der Lage ist. So kann es durchaus geschehen, dass der Leser das eine oder andere Werk, welches einen Traum als zentrales Motiv vorweist, eben nicht in der vorliegenden Monografie vorfindet. Doch dieser erklärbare Malus kann angesichts der getroffenen Auswahl an Primärtexten kaum einen Kratzer hinterlassen. Hauser versteht es nämlich, sich nicht nur auf die allseits bekannten Meister phantastischer Literatur zu beziehen und den entsprechenden Kanon aufs Neue durchzukauen. Stattdessen präsentiert er eine breite Palette von mit nationalem, kulturellem und zeitlichem Hintergrund ausstaffierten Texten, die nicht selten auch höchst unterschiedlich mit dem Phänomen Traum umgehen. Geschichten von E. T. A. Hoffmann bis Stephen King, von E. A. Poe bis H. P. Lovecraft sind ebenso vertreten wie die phantastischen Ausflüge eines Mark Twain oder Walter Scott, während der wohl größte Teil der Primärtexte den meisten Lesern kaum bis gar nicht bekannt ist, sich aber dennoch für Hausers typologische Untersuchung als bestens geeignet herausstellt. Von der englischen ghost story über Texte mit altägyptischem Hintergrund bis hin zu chinesischen Erzählungen mit philosophischer Tiefe, sie alle kommen ebenso zum Handkuss wie auch Autoren der europäischen Antike. Gerade dieses breit gefächerte Spektrum sorgt dafür, dass der Leser sich eingehender mit Hausers Studie beschäftigt, schnuppert er doch nicht nur in den Untersuchungsgegenstand selbst hinein, sondern auch in viele weiße Flecken in Jahrhunderten europäischer, angloamerikanischer und ostasiatischer Literaturgeschichte hinein, wobei der Autor nicht selten das eine oder andere interessante Juwel ans Tageslicht bringt.

Die Bedeutung von Hausers typologischer Untersuchung im Kontext der sekundärliterarischen Situation zur phantastischen Literatur überschattet so manches Manko, dessen Existenz nicht bestritten werden kann. So spricht der Autor etwa öfters von den literarischen Kategorien des Phantastischen, des Wunderbaren und des Unheimlichen, doch die Divergenzen zwischen diesen werden nur dürftig erklärt, zumal der Leser möglicherweise alle drei Begriffe synonym nutzen mag. Entgegengesetzt dazu steht die Tatsache, dass der Autor manche Gegenstände allzu oft wiederholt. Ein gutes Beispiel bildet hierfür die so genannte pseudo-phantastische Literatur, die er eingangs beschreibt und auf die er im späteren Verlauf der Arbeit erneut eingeht, als wäre es das erste Mal im Rahmen der vorliegenden Studie. Hausers Stil trägt indes nicht gerade dazu bei, sich das Buch als Gute-Nacht-Lektüre vorzunehmen, ein genaues Durcharbeiten nimmt viel Zeit in Anspruch.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Erik Hauser mit "Der Traum in der phantastischen Literatur" eine interessante, klar strukturierte Studie vorlegt und gleichzeitig ein Leck im sekundärliterarischen Gefüge zur Phantastik flickt. Nicht selten erfordert seine Dissertation einen wachen Geist, doch die Erkenntnisse sind es wert. Nur hätte der Verlag etwas mehr Engagement beim Druck zeigen können: Die Papierqualität lässt ebenso zu wünschen übrig wie das Lektorat, ein viel zu kleiner Schriftgrad geht mit zu geringen Seitenabständen Hand in Hand.

Anmerkung: Der angegebene Preis von 15 Euro gilt für den Buchhandel; auf diesen bezieht sich auch die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Abonnenten und Mitglieder des EDFC zahlen für dieses Produkt 8 Euro.

Michael Höfel



Taschenbuch | Erschienen: 01. Dezember 2005 | ISBN: 9783932621833 | Preis: 15,00 Euro | 212 Seiten | Sprache: Deutsch

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