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 Das Anthropozän

Die Erde im Zeitalter des Menschen


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Gesamt ++++-
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Preis - Leistungs - Verhältnis


Das Thema ist mittlerweile fest verankert im öffentlichen Bewusstsein: die Beeinflussung und Veränderung unseres Planeten Erde durch die Menschheit. Am häufigsten im Zusammenhang mit einem globalen Klimawandel angesprochen, ist die Diskussion im Ganzen wesentlich facettenreicher. In dasselbe Themenfeld gehören beispielsweise auch Bodendegradation und -erosion, Entwaldung sowie die Umwandlung von Naturgebieten in Kulturlandschaften. All diese teilweise unumkehrbaren Veränderungen, die die Menschheit in den letzten Jahrhunderten verursacht hat, fasste der Nobelpreisträger Paul J. Crutzen prägnant zusammen, als er vorschlug, mit dem "Anthropozän" ein neues Kapitel der Erdgeschichte aufzuschlagen, das auf das allgemein anerkannte nacheiszeitliche Holozän folgen soll. Der von Crutzen verwendete Begriff ist nun Titel eines Fachbuchs des Geographen Eckart Ehlers, in dem es ganz entscheidend um das Spannungsfeld zwischen Mensch und Umwelt in Vergangenheit und Gegenwart gehen soll.

Das Buch beginnt - nach einem kurzen Vorwort - mit einem einführenden Kapitel, das die Thematik im Allgemeinen und den Übergang vom Eiszeitalter (Pleistozän) zum Holozän und schließlich zum Anthropozän vorstellt. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit den Anfängen der nachweisbaren menschlichen Aktivitäten auf der Erde, den steinzeitlichen Jäger- und Sammler-Gesellschaften und der "Neolithischen Revolution", also mit den Folgen der beginnenden Sesshaftigkeit der Menschen. Das verhältnismäßig lange Kapitel drei behandelt Antike, Mittelalter und frühe Neuzeit sowie die philosophischen Weltanschauungen, die die Menschheit in diesen Zeiten begleiteten. Im Abschnitt "Das Anthropozän - Die Große Transformation" erläutert Ehlers schließlich den Titel gebenden Begriff und begründet, welche tiefgreifenden Veränderungen seit der "Industriellen Revolution" die Verwendung des Terminus rechtfertigen. Das fünfte Kapitel stellt die Anfänge der eigentlichen Geographie als Wissenschaft und die Probleme, Unstimmigkeiten und Herausforderungen des Fachgebiets gerade im Hinblick auf die Mensch-Umwelt-Beziehungen vor. Im letzten Kapitel schließlich wird ein Fazit gezogen, das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt noch einmal im Überblick beleuchtet sowie ein Ausblick gewagt. Abschließend folgen das Abbildungs- und das Literaturverzeichnis sowie ein Register zum Nachschlagen bestimmter Begriffe.

Der Mann ist in der Geographie kein Unbekannter und lässt einiges erwarten: Eckart Ehlers ist emeritierter Professor der Geographie an der Universität Bonn, Autor zahlreicher Bücher zu verwandten Themenfeldern und war in der Vergangenheit Vorsitzender mehrerer internationaler Gremien der Global Change-Forschung. Sein neuestes Werk mit dem reißerisch angehauchten Titel "Das Anthropozän - Die Erde im Zeitalter des Menschen" diskutiert nun auf ganzen 250 Seiten das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt von der Steinzeit bis heute. Ein geschichtsträchtiges Thema, und so ist auch das Buch: Über weite Strecken und bis ins Detail werden Weltbilder und Dogmen vorgestellt, unter denen die Menschen zu verschiedenen Zeiten die Natur gesehen und behandelt haben. Dass eine solche Abhandlung nicht vollständig sein kann, ist auch Ehlers klar und kann keineswegs als Fehler der Publikation bezeichnet werden. Vielmehr ist es dem Autor hoch anzurechnen, dass er versucht hat, die wichtigsten und für das Thema ausschlaggebenden Fakten anzuhäufen und in Schriftform zu präsentieren. Beeindruckend ist dabei die Anzahl der Quellen, die Ehlers zu Rate zieht, und sehr erfreulich ist der klare, meist auf den Punkt gebrachte Stil, mit dem die Informationen vorgestellt werden. Hier zeigt sich die wahre Vielfalt und die Interdisziplinarität des Faches Geographie, hier wird die wahre Komplexität von Mensch-Umwelt-Problemen jenseits von vereinfachender Meinungsmache deutlich. Fachlich interessierten Lesern bietet Ehlers einen höchst interessanten und gut recherchierten Überblick, der ein beunruhigendes Bild unseres Umgangs mit dem Planeten Erde zeichnet, ohne jedoch emotionalisierend zu wirken oder unsachlich zu werden. Der Autor hält sich in mancher Hinsicht mit definitiven Aussagen zurück: Gerade der immer wieder öffentlich diskutierte und von einigen wenigen "Klimaskeptikern" bezweifelte Einfluss des Menschen auf den Klimawandel wird nur in Ansätzen angesprochen. Wer hierzu also neue Aussagen erwartet, wird von "Das Anthropozän" vielleicht enttäuscht sein. Doch auch ohne die atmosphärische Erwärmung explizit als anthropogen zu deklarieren, zeigt Ehlers an genügend Beispielen den unverantwortlichen Umgang mit der Natur und die irreversiblen Schädigungen auf, die der Mensch der Umwelt bereits zugefügt hat. Ob diese ausreichen, um ein neues Erdzeitalter zu postulieren, muss dem Leser überlassen werden und soll in dieser Rezension nicht beantwortet werden. Obgleich das Buch dem vielschichtigen Thema gerecht wird und sinnvoll strukturiert sowie für Sachkundige gut verständlich ist, weist es jedoch auch eine unübersehbare Schwäche auf, die nicht verschwiegen werden soll: Völlig unsinnig und störend ist die Tatsache, dass die nicht gerade wenigen Farbabbildungen vom Text getrennt wurden und gesondert in zwei Blöcken auftauchen, sodass dem Leser wildes Umherblättern nicht erspart bleibt, wenn er Ehlers Argumentation anhand der Grafiken folgen will. Warum dies so ist, bleibt fraglich und angesichts des stolzen Preises von knapp 40 Euro auch unverständlich. Ehlers überzeugender Argumentation und der interessant aufbereiteten Thematik ist es zu verdanken, dass das Buch trotz dieses Ärgernisses abschließend einen positiven und ausgewogenen Eindruck hinterlässt.

Fazit: Ein starkes, wenngleich nicht fehlerloses Buch zu einem brisanten Thema, das einer oft geführten Diskussion neue Facetten abgewinnt.

Marc Zeller



Hardcover | Erschienen: 1. August 2008 | ISBN: 9783534205851 | Preis: 39,90 Euro | 284 Seiten | Sprache: Deutsch

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