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 Ein Joghurt namens Annika

WG-Roman

Autoren: Marcus Werner
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Endlich das Abi in der Tasche, einen Jura-Studienplatz in Köln, eine liebe Freundin an der Seite – das Leben kann endlich richtig losgehen, findet Jan. Und nicht nur das Leben, auch mit dem Sex soll es endlich klappen. Zwar ist er schon lange mit Silvie zusammen, sie will aber aus irgendwelchen Gründen unbedingt warten – gar nicht so einfach für einen jungen Mann wie Jan, das zu akzeptieren.
Aber Köln mit seiner lockeren Lebensart soll das schon richten. Zudem müssen die beiden nicht mit einer typischen Studentenwohnung vorlieb nehmen, sondern dürfen sich im Zweithaus von Bekannten von Silvies Eltern wohnlich einrichten. Haus ist gut – eine kleine Villa ist das, mit vielen Zimmern, Erker, Sauna, Kamin und Luxusküche. Vor allem Jan freut sich zusätzlich über die Nachbarn: eine lebenslustige ältere Alkoholikerin mitsamt sie besuchender Nichte Karen – sehr hübsch anzusehen und öfter leichtbekleidet im Haus unterwegs. So kommt Jan schnell zum Schluss, dass die für ihn ideale Lösung in „Liebe ohne Sex (Silvie) plus Sex ohne Liebe (Karen)“ besteht.

Blöd für ihn, dass Silvie ihn beim versuchten Seitensprung erwischt, sich von ihm trennt und zu einer Freundin zieht. Die folgenden Entwicklungen halten für Jan noch so manche Überraschung bereit, in deren Verlauf er sich als Hausherr einer chaotischen WG wieder findet, überraschende und weniger überraschende Outings stattfinden, Moderatorinnen in sein Leben schneien – wobei „Schnee“ hier durchaus doppeldeutig verstanden werden darf -, Drogendealer es verkomplizieren und er nebenbei immer noch verzweifelt versucht, irgendwie seine Jungfräulichkeit zu verlieren.

Der Roman spielt 2001, also zu Zeiten des Umbruchs – von einer halbwegs sicheren Welt zu der überall präsenten Angst vor dem Terror, von D-Mark zu Euro, vom Alten in eine unbekannte neue Zukunft. Ende 2001 endet das Buch und es ist klar, dass nicht nur die WG vor einer unbekannten Zukunft steht, sondern auch Deutschland und der Rest der Welt nicht wissen, wohin genau sie steuern.
So ist der Zeitpunkt der Handlung durchaus gut gewählt, auch wenn manche Sachen vom heutigen Standpunkt aus komisch wirken: Das Gefluche über langsame Modems, Telefonzellen und das Problem, dass nicht jeder ein Handy hat, wirken heute, obwohl nur acht Jahre später, so altertümlich, dass man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen muss, dass studieren wirklich mal so aussah. Erst recht lustig wird das Ganze mit einem Gedanken von Jan - sinngemäß fragt er sich, warum die Konjunktur denn ausgerechnet jetzt schlechter wird und nicht erst 2009, wenn er als fertiger Jurist keinen Praktikumsplatz mehr suchen muss.

„Ein Jogurt namens Annika“ ist ein amüsanter Roman über das erste Jahr auf eigenen Beinen. Jan versteht es, in jedes Fettnäpfchen zu treten, das sich ihm bietet, so dass es dem Leser nie langweilig wird. Auch der Charakter eines jungen Mannes, der zwar wirklich an seiner Freundin hängt und ihr nicht weh tun will, andererseits ob des Hormonrauschs verzweifelt, ist witzig und unterhaltsam dargestellt. Der Höhepunkt sind aber die verschiedenen Charaktere und Geschichten der WG-Bewohner. Obwohl Jan die Hauptperson ist, kommen auch die anderen Bewohner zu Wort und werden dem Leser mit ihren ganz eigenen Problemen und Eigenheiten vertraut. Dabei werden viele Klischees bedient, aber das stets so humorvoll, dass man es dem Autor einfach nicht übelnehmen kann.
Alltäglich sind die Geheimnisse und Probleme dieser WG-Bewohner bestimmt nicht, aber Alltag hat jeder zuhause genug. Hier reihen sich haarsträubende und unterhaltsame Abenteuer hintereinander, die so manches Mal für Heiterkeitsausdrücke beim Leser sorgen. Teilweise ist man sogar überrascht, durchaus ironische Schilderungen zu lesen, die man in dieser Form nicht erwartet hätte. Da wird vor allem das Privatfernsehen in Gestalt von „Hyper 8“ auf den Arm genommen, inklusive schlecht organisierter Mitarbeiter, unfähiger Moderatoren und natürlich einer rauschenden After-Show-Party mit Alkohol, Sex und Kokain.

„Ein Jogurt namens Annika“ ist ein Roman über den Studienbeginn, über die ersten selbstbestimmten Schritte – die eher wie ein Stolpern aussehen -, Liebe, Freundschaft und die Probleme, die das alles mit sich bringt. Er ist eher als leichte Lektüre für nebenher zu verstehen, unterhält aber als solche sehr gekonnt.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 1. April 2009 | ISBN: 9783499248528 | Preis: 8,95 Euro | 311 Seiten | Sprache: Deutsch

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