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 Berlin Wimmelbuch

Ausbruch aus dem Zoo

Illustratoren: Judith Drews
Verlag: Wimmelbuchverlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Wimmel-Bilderbücher sind Kult. Neben Klassikern wie denen von Ali Mitgutsch, die schon seit den 1960er Jahren Kinder- und Erwachsenenherzen höher schlagen lassen, gibt es inzwischen auch eine Reihe jüngerer Zeichner und Zeichnerinnen, die das Genre mit frischen Ideen und ihrem individuellen Stil beleben. 2010 wurde in Berlin eigens ein Verlag für die gezeichneten Wuselwelten gegründet: der Wimmelbuchverlag. Und mit seiner ersten Publikation huldigt er erst einmal dem quirligen Leben seiner Heimatstadt: Berlin.

In Berlin geht es noch lebendiger zu als sonst: Zoowärter Gerd hat nämlich vergessen, das Eingangstor zu schließen, und nun treiben die Zoobewohner überall in der Stadt ihr Unwesen. Auf fünf großformatigen Doppelseiten zeigt das Wimmelbuch, wie die Tiere vom Löwen bis zum Huhn, vom Elefanten bis zum Ameisenbären, von der Krake bis zum Krokodil, verschiedene Stadtviertel in Aufruhr versetzen. Die erste Szene spielt noch im Zoo selbst, wobei auch einige Erkennungsmerkmale der Westberliner Umgebung zu sehen sind, z.B. der Funkturm, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und das Europa-Center. Im Prenzlberger Kiez ist nicht nur vor, sondern auch in den Häusern einiges los, wie das bunte Treiben hinter den Fenstern der Häuserfronten erahnen lässt. Und im Hintergrund recken sich die Hochhäuser des Alexanderplatzes und der Fernsehturm in den Himmel. Auch der Berliner Museumswelt ist eine Doppelseite gewidmet. Da tummeln sich nicht nur die weltberühmten Dinosaurier-Skelette aus dem Naturkundemuseum, sondern auch die schöne Ägypterin Nofretete sowie Stellwände mit moderner Kunst und Kinderbildern. Eine weitere Szene zeigt einen typischen Sonntagnachmittag im Mauerpark: Spaziergänger, spielende Kinder, Trödler, Karaokesänger und Kleinkünstler. Und schließlich gibt es in Mitte nicht nur den roten Berlinale-Teppich vor dem prunkvollen Hotel "Arlon" zu sehen, das leicht als Doppelgänger einer realen Berliner Edel-Unterkunft zu erkennen ist. Unter den Lindenbäumen flanieren Menschen und Tiere, und hier stehen auch einige der berühmtesten Wahrzeichen: das Brandenburger Tor, der Reichstag mit seiner Glaskuppel, die Siegessäule und die Philharmonie.

Der Illustratorin Judith Drews, die selbst als junge Mutter in Berlin wohnt, gelingt es, frischen Wind ins klassische Wimmelbuch zu bringen und dabei einen ganz eigenen Stil zu entwickeln. In dem Buch fällt bereits die besondere Farbgestaltung auf, die ganz auf die Farben Gelb, Hellblau, Hellgrün und Rot setzt und dadurch eine sehr freundliche Stimmung kreiert. Die Personen sind recht einfach und kindlich gezeichnet. Und auch im Gesamtbild orientieren sich die Zeichnungen ganz an ihrer Zielgruppe: Es geht nicht nur turbulent, sondern auch ziemlich verrückt und fantasievoll zu. Da wird auch schon mal ein Möbelwagen von zwei Vögeln durch die Luft geschleppt, der Löwe trägt gerne ein Herzchenkleid, unter den Zootieren findet sich auch ein kleiner Drache, eine bekrönte Prinzessin sucht (und findet) ihren Prinzen, ein Baby krabbelt auf einem Häuserdach hinter zwei Schildkröten her, und auf jedem Bild kann man am Himmel kleine grüne Außerirdische entdecken, die ein Ufo zur Erde entsenden. Hier geht es nicht um Realismus, sondern um Fantasie. Diese liegt nicht nur den Bildern selbst zugrunde, sondern kann auch in den Geschichten, zu denen diese anregen, weiter entwickelt werden.

Bereits die ganz Kleinen können schon Spaß an diesem Berliner Treiben finden, zumal die Pappseiten des Buches einen ganz stabilen Eindruck machen, und nach oben hin ist der Altersgruppe, die Gefallen daran finden wird, keine Grenze gesetzt. Einzig muss man sagen, dass das Buch nur bedingt geeignet ist, um etwas älteren Kindern den Einblick in die tatsächliche Berliner Stadtlandschaft zu erleichtern. Dass viele markante Orientierungspunkte auftauchen, dann aber an einen anderen Ort versetzt sind, kann da etwas verwirren. Aber das Wimmelbuch will ja auch nicht informieren, sondern Spaß am Entdecken und Wiedererkennen bringen. Und das tut es allemal, insbesondere wohl für Kinder aus Prenzlauer Berg, die besonders viele Details aus ihrem Alltag wiedererkennen werden, angefangen von typischen Graffitis über Ladengeschäfte bis hin zum irischen Fahrradkurier "Joe Hatchiban", der die sonntägliche Karaoke-Show im Mauerpark zur Kultveranstaltung gemacht hat.

Das verrückte Berlin dieses Wimmelbuchs ist schön, so schön, dass man sich vielleicht sogar noch etwas mehr davon gewünscht hätte: Zum einen ist es ein bisschen schade, dass das Buch nicht noch mit ein, zwei Szenen in anderen Kiezen das Berlin-Bild ein wenig mehr vervollständigt. Und zum anderen hätte es ruhig sogar noch etwas verrückter und anarchischer zugehen können – wenn schon, denn schon! Insbesondere die Interaktionen zwischen den Figuren wirken da bisweilen ein wenig statisch. Insgesamt hat Judith Drews aber für den Wimmelbuchverlag ein sehr schönes Debüt geschaffen!

Silke Hettich



Hardcover | Erschienen: 29. November 2010 | ISBN: 978-3942491006 | Preis: 9,95 Euro | 12 Seiten | Sprache: Deutsch

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