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 Miramar

Autoren: Nagib Machfus
Übersetzer: Wiebke Walther
Verlag: Unionsverlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Der Glanz von Alexandria ist verblasst, jedoch noch wahrnehmbar wie in einem Museum – und die Menschen arrangieren sich in der Zeit des Umbruchs mit dem System oder versuchen, es auszunutzen.
Amir Wagdi, ein alter ehemaliger Journalist, erinnert sich an eine alte Liebe und zieht ins „Miramar“, eine Pension, mit deren alter griechischer Besitzerin ihn einst viel verband. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die alte Dame kämpft ums Überleben der Pension und um ihr eigenes. Da kommt ihr ganz gelegen, dass zunächst ein Fellachenmädchen namens Zuchra, aus seinem Dorf vor einer Zwangsheirat geflohen, Arbeit bei ihr sucht und dann einige Angehörige der „Jeunesse dorée“ des Landes langfristig Zimmer in der Pension mieten möchten. Eine sehr bunte Gesellschaft, ein richtiger Mikrokosmos entsteht.
Doch bald kommt Unfrieden auf. Die jungen Männer konkurrieren um Zuchra, und als diese sich hoffnungslos in einen von ihnen verliebt, bahnt sich bereits eine Katastrophe an, die nichts im „Miramar“ so lässt, wie es einmal war.

Der Roman besteht aus fünf Kapiteln, die jeweils von unterschiedlichen Personen erzählt werden; nur Amir Wagdi, der in Vergessenheit geratene frühere Journalist, kommt zwei Mal zum Zuge, im ersten und im letzten Kapitel, während den drei jungen Männern, die um Zuchras Gunst buhlen, die „inneren“ Kapitel vorbehalten sind. Jede Figur schildert die Vorfälle im „Miramar“ aus ihrer persönlichen Sicht und charakterisiert sich dabei selbst, sodass der Leser aus vier verschiedenen Perspektiven auf ein und dieselbe Geschichte blicken und sich seine eigene Meinung bilden kann.

Nagib Machfus ist ein Meistererzähler und gilt als Vater des ägyptischen Romans. „Miramar“ zeigt sehr deutlich, wie tief sich Machfus in seine Figuren einfühlen kann. Die Handlung wirkt zugleich komplex und zerstückelt, bleibt aber immer nachvollziehbar - und natürlich entwickelt sich dank den unterschiedlichen Perspektiven, die zu ebenfalls sehr unterschiedlichen Charakteren gehören, eine eigenwillige Spannung. Diese lässt sich stellenweise wie in einem Krimi fast mit den Händen greifen.
Nagib Machfus passt die Sprache jeweils seinen Protagonisten an und lässt sie sehr authentisch wirken. Sie wiederum prägen auch das Bild, das sich der Leser von Zuchra macht, um die sich zwar alles dreht, die aber nicht selbst als Ich-Erzählerin in Erscheinung tritt –ein kluger Schachzug des Autors.
Die Wahl von Amir Wagdi als demjenigen, dem zwei Erzählabschnitte zugestanden werden, sodass seine Sichtweise eine Art Rahmen um den Roman legt, ist ebenfalls ein geschickter autorenhandwerklicher Kniff. Wagdi als Journalist und zusätzlich als alter, abgeklärter, lebenserfahrener Mann kontrastiert ohnehin heftig mit den anderen Ich-Erzählern: dem verwöhnten Taugenichts, der, als ihm seine Angebetete einen Korb gibt, völlig entgleist und nur noch eine Frau nach der anderen für flüchtige körperliche Befriedigung benutzt; dem Radiosprecher, der unter der Fuchtel seines älteren Bruders steht, die Frau seines Freundes liebt und massive psychische Probleme hat; dem jungen Mann aus guter Familie, der sich in ein kriminelles Geschäft verstrickt und Materielles weit über die Liebe stellt. Diese Figuren sowie weitere Personen, die im Buch eine gewisse Rolle spielen, repräsentieren, stark und ironisch überzeichnet, die Gesellschaft eines zerrissenen Landes.

Eine packend erzählte Geschichte, die besondere Würze aus dem orientalischen Flair bezieht, mit dem der Autor nicht geizt. Wie könnte er, handelt es sich doch um eine Widerspiegelung der ihm vertrauten und lieben Kultur.
Begriffe, Namen und Hintergründe, die sich dem deutschsprachigen Leser nicht unmittelbar erschließen, werden im Anhang erläutert.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 24. September 2012 | ISBN: 9783293205918 | Originaltitel: Miramar | Preis: 10,95 Euro | 237 Seiten | Sprache: Deutsch

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