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 Die Erfindung des Landes Israel

Mythos und Wahrheit

Autoren: Shlomo Sand
Übersetzer: Markus Lemke
Verlag: Propyläen

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Kaum ein Thema polarisiert stärker als der Nahostkonflikt. Wer eine eindeutige Position bezieht, muss sich, wie fundiert und überzeugend sie auch dargestellt wird, auf harte Kritik gefasst machen. Shlomo Sand hat in seinem neuesten Buch abermals eindeutig Stellung bezogen zur historischen Entwicklung Israels. Abermals erntet er überwältigende Zustimmung wie Ablehnung.

Das knapp 400-seitige Buch "Die Erfindung des Landes Israel. Mythos und Wahrheit" betrachtet der Autor als Ergänzung zu seinen früheren Schriften. Sand erzählt, wie es dazu kam, dass die aus seiner Sicht ausschließlich religiös konnotierte Geschichte der Juden im Alten Testament durch die zionistische Bewegung im 19. Jahrhundert national aufgeladen wurde. Das Alte Testament wurde zum Nationalepos Israels, obwohl es dafür kaum Anknüpfungspunkte in dem Text gäbe und die Zionisten eine Menge Umdeutungen vornehmen mussten.

In fünf Kapiteln geht der Autor chronologisch vor, von der Antike bis zur Gegenwart. Er beginnt in den ersten Abschnitten mit Untersuchungen zu Wortbedeutungen in der Antike, beispielsweise, wie jüdische Gelehrte Begriffe wie "Israel" oder "Vaterland" verwendeten. Sand interpretiert die Geschichte des Alten Testaments als eine Einwanderungsgeschichte der Juden, stellt also jede Interpretation in Frage, in der Juden als autochthone Bevölkerung dieser Gegend gesetzt werden.

Der mittlere Abschnitt behandelt in etwa die Zeit des Mittelalters, bevor der Autor in den letzten Kapiteln schließlich beschreibt, wie in der Neuzeit durch Zionismus und bis heute von der staatlichen Bildungspolitik Israels aus seiner Sicht unhaltbare Interpretationen der Geschichte und der heiligen Schriften verbreitet werden. Sand vergleicht den Zionismus als eine kolonialistische Bewegung, die die Religion nationalistisch umgedeutet habe mit allen Konsequenzen, die das bis heute für den nahen Osten hat. Sein Plädoyer lautet, der Staat Israel müsse sich von Mythen frei machen, um einen Weg zu Frieden und Sicherheit, vor allem für sich selbst, zu finden.

Das Buch endet mit einem Anmerkungsapparat sowie mit einem Personenregister.

Shlomo Sands Buch "Die Erfindung des Landes Israel. Mythos und Wahrheit" ist ein hochpolitisches und engagiertes Werk. Der Autor argumentiert sowohl stringent als auch leidenschaftlich, ohne zu pauschalisieren, zu verurteilen oder polemisch zu werden. Im Gegenteil, er will eine differenzierte und sachliche Debatte. Er will von Mythen befreien und aufklären.

Seine These, dass das Land Israel eine Erfindung des Zionismus sei, die weder aus der Geschichte noch aus der Theologie fundiert begründet werden kann, soll nicht das Existenzrecht Israels in Frage stellen, sondern den radikalen Kräften in Israel den Wind aus den Segeln nehmen. Es geht Sand darum, historische Realitäten anzuerkennen, wie sie der Staat Israel auch eine ist, um überhaupt möglich zu machen, zu einem friedlichen Miteinander im nahen Osten zu kommen.

Sand zeigt auf eindrucksvolle Art, wie sich Diskurse verändern, wie relativ junge Ideologien einen sachlichen Blick auf die Geschichte ganzer Jahrtausende verstellen können. Diesen Blick versucht Sand wieder zu ermöglichen. Der Leser wird vielleicht nicht allen Thesen zustimmen, aber der Versuch als Ganzes ist auf überzeugende Art und Weise gelungen. Die Lektüre ist allen Interessierten zu empfehlen.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 26. Oktober 2012 | ISBN: 978-3549074343 | Originaltitel: Matai ve'ekh humtzea Erez Israel? | Preis: 22,99 Euro | 396 Seiten | Sprache: Deutsch

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