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 BilderMacht

Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Mit seinem zweibändigen Werk "Das Jahrhundert der Bilder" hat der Flensburger Professor für Geschichte und ihre Didaktik als Herausgeber bereits ein "Opus Magnum" veröffentlicht. Nun folgt unter dem Titel "BilderMACHT" eine Aufsatzsammlung, welche erneut die besondere Wirkungskraft von Bildern in den Blick nimmt.

Es handelt sich hierbei um die Essenz verschiedenster Vorträge und bereits publizierter Aufsätze, die für diese Publikation überarbeitet wurden und in gebündelter Form für eine Druckfassung fruchtbar gemacht wurden. Teilweise finden sich aber auch Aufsätze, deren Inhalte eigens für diesen Band ausgearbeitet wurden.
Wie Paul in seiner Einleitung anmerkt sind "die hier vorliegenden Analysen (…) nicht das Ergebnis einer systematisch geplanten Wanderung durch die Bildgeschichte. Sie sind eher Ausdruck eines Flanierens". Dies hat zur Folge, dass die untersuchten Gattungen ganz unterschiedlicher Art sind. So finden sich in den Ausführungen Pauls sowohl Amateur- als auch professionelle Presse- oder Militärfotografien, Kunst- als auch Propagandaprodukte, von Natur aus stehende Bilder als auch Screenshots bewegter Bilder aus Filmen.

Der zeitliche Rahmen ist ebenfalls breit gefächert und reicht vom späten 19. Jahrhundert (zum Beispiel ein Plakat mit der "elektrischen Fee" aus dem jahre 1888) bis in das 21. Jahrhundert (zum Beispiel ein Poster mit einer künstlerisch symbolhaften Umsetzung des sogenannten "Kapuzenmannes" als Ikone gegen die amerikanischen Folterungen in Abu Ghraib), ohne hierbei einen besonderen Schwerpunkt zu setzen. Recht unterschiedlich ist zudem die Länge der einzelnen Aufsätze, welche zwischen neunzehn und fünfundfünfzig Seiten variiert.

Zu Beginn eines jeden Aufsatzes findet sich zu Beginn ganzseitig abgedruckt das zentrale Referenzbild. Hierauf folgt eine kurze Einführung. Daran schließt sich der eigentliche Aufsatz an, welcher durch weiteres Bildmaterial ergänzt wird.

Methodisch orientiert sich Gerhard Paul bei diesen Studien, wie er selbst in der Einleitung schreibt, an den vier Realitätsebenen nach Helmut Korte, die grob mit folgenden Fragen umschrieben werden können: Warum wird etwas in einer bestimmten Form festgehalten? In welchem Verhältnis steht die visuelle Darstellung zur realen Bedeutung? Welche Darstellungsmittel und Techniken werden zur Erzeugung einer eigenständigen Realität verwendet? Wie hat sich die Deutung und Bedeutung eines Bildes in Rezeption und Nutzung verändert?

Abgeschlossen wird der Band durch ein Verzeichnis von Gerhard Pauls Schriften zur "Visual History" sowie durch ein Register, welches in die beiden Kategorien Orte und Personen untergliedert wurde.

Es ist beeindruckend mit welcher Akribie Gerhard Paul ans Werk geht. Es gelingt ihm, den Lesern unterschiedliche Dimensionen unter der Bildoberfläche zu offenbaren. Stets fußen seine Erkenntnisse hierbei auf präzisen Recherchen und Überlegungen – wie etwa zur Herkunft von Fotografien aus dem ostgalizischen Lemberg, welche die antijüdische Menschenjagd dort dokumentieren.

Natürlich wird den Lesern, die bereits Werke des Autors kennen, das ein oder andere bekannt vorkommen. Dennoch gelingt es Gerhard Paul immer wieder neue Facetten und Hintergründe ins Spiel zu bringen, sodass die Lektüre auch für Kenner gewinnbringend ist. Besonders seine Thesen, die er immer wieder überspitzt auf den Punkt bringt, dürften die Forschung sicherlich nicht nur bereichern, sondern auch zu regen Diskussionen führen. Eine Kostprobe davon: "Von Picassos und Langs Visualisierungen führten die Wege geradewegs zum Supergau von Tschernobyl und dem verkabelten Kapuzenmann von Abu Ghraib."

Für jene, die sich noch nicht mit der "Visual History" – wie sie Gerhard Paul maßgeblich im deutschsprachigen Raum etabliert hat – beschäftigt haben, bietet der Band dagegen einen kenntnisreichen Einblick, der sicherlich die Neugier für dieses spannende Forschungsfeld weckt.

Auch ästhetisch ist das Buch sehr ansprechend. Hier merkt man, dass der Wallstein Verlag nicht umsonst aufgrund seiner "sorgfältigen und gestalterisch anspruchsvollen Editionen" 2013 den Kurt-Wolf-Preis erhalten hat. So besticht der Band selbst bei kleineren Abbildungen mit einer hervorragenden Bildqualität. Hinzu kommen sorgsam ausgewählte typografische Besonderheiten wie die kursiv abgedruckten Einführungstexte zu jedem Bild, die vereinzelt in Farbe gesetzten Aufsatztitel oder die hervorgehobenen Abbildungsverweise innerhalb des Textes. Einzig die Platzierung dieser Abbildungsverweise ist etwas irritierend, da diese häufig an den Beginn einer Passage gestellt wurden, in der es nachfolgend um das entsprechende Bild geht.

Hervorzuheben ist abschließend, dass natürlich nicht alle genannten Bilder abgedruckt werden konnten, was im Rahmen einer derartigen Publikation gar nicht möglich ist. Als Ausweg aus diesem Dilemma hat Gerhard Paul eine äußerst elegante Variante gefunden: In den Fußnoten gibt er immer wieder Links an, unter welchen das entsprechende Bild im Internet zu finden ist.

Nicht nur aufgrund dieses Details: Ein herausragendes Buch, das trotz des hohen Preises viele Leser verdient!

Weitere Informationen zum Buch bietet die Verlags-Website.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 1. März 2013 | ISBN: 978-3835312128 | Preis: 39,90 Euro | 676 Seiten | Sprache: Deutsch

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