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 Warum wir uns die Reichen nicht leisten können

Autoren: Andrew Sayer
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
In den letzten zehn Jahren nach der Finanzmarktkrise sind zahlreiche Bücher erschienen, die wieder mehr Kapitalismuskritik einforderten und die Verteilungsfrage stellen. Jedes hatte einen anderen Schwerpunkt, so auch Andrew Sayers neues Buch "Warum wir uns die Reichen nicht leisten können". Der Autor will zeigen, welche Probleme für die Gesellschaft und die ganze Menschheit daraus entstehen, dass riesige Einkommens- und Vermögensbestände von nur einem Prozent der Weltbevölkerung kontrolliert werden.

Dazu werden in fünf Abschnitten auf insgesamt fast 500 Seiten verschiedene Themen angesprochen, die mit unserem Wirtschaftssystem und der Verteilung von Gütern und Geldern zu tun haben. Im ersten Teil beschreibt der Autor wie der produzierte Reichtum von Reichen abgeschöpft wird, etwa durch Mieten oder andere Renten. Der zweite Abschnitt geht der Frage nach, ob gegenwärtig wirklich Chancen- und Wettbewerbsgleichheit bestehen. Teil drei analysiert die Reichtums- und Armutsentwicklung in den Krisenjahren ab 2007. Die letzten beiden Abschnitte befassen sich vor allem mit den Folgen der Existenz der "Superreichen". Dabei geht es um die politische Macht, die sie durch ihren Reichtum besitzen und um die CO2-Bilanz dieser Gruppe, die aus Sicht des Autors verheerend ist.

Im Anhang sind dem Text ein Anmerkungsapparat und ein Personenregister beigefügt.

Andrew Sayers Buch "Warum wir uns die Reichen nicht leisten können" ist ein fundiert recherchiertes und dabei einfach geschriebenes Plädoyer für eine gerechtere Gesellschaft und gegen die Existenz einer kleinen Schicht von Superreichen, die auf den Kosten der übergroßen Mehrheit lebt. Für Sayers verläuft die gegenwärtig bedeutendste gesellschaftliche Konfliktlinie zwischen dem reichsten Hundertstel und dem Rest der Menschheit. Und viele seiner Argumente und Zahlen geben dieser These mehr als nur Plausibilität.

So wird der Leser schon in der Einleitung an vieles erinnert, das eigentlich jeder schon irgendwo gelesen oder gehört hat, etwa daran, dass die achtzig reichsten Menschen der Welt in etwa so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, also so viel wie 3,5 Milliarden Menschen. Solche und ähnliche Statistiken führt Sayers auf den ersten Seiten fast endlos auf, um im Weiteren zu beschreiben, wie es dazu kommen konnte und welche Konsequenzen dies hat.

Dazu gekommen ist es nach Sayers, weil es zugelassen wurde, weil die Politik der letzten fünfzig Jahre in fast allen Staaten der Welt Spitzensteuersätze senkte und es den Reichen leicht machte, den Reichtum der Gesellschaft durch Renten abzuschöpfen. Gleichzeitig habe sich in der Gesellschaft eine Wortwahl durchgesetzt dafür, die diesen Prozess beschönigt und verklärt, so zum Beispiel der Begriff Investition. Reiche, die ihr Geld irgendwo investieren müssen, um noch reicher zu werden, werden in den meisten Fällen sogar hofiert. So ist während der Finanzkrise der Reichtum der Reichen weiter angestiegen, während alle anderen Schichten im Durchschnitt weltweit ärmer geworden sind.

Die Konsequenzen sind ein massives Ungleichgewicht an politischem Einfluss in unserer Gesellschaft, der sich insbesondere an der Medien- und Lobbymacht zeige. Denn die Reichen können es sich leisten, dass ihre Sicht der Dinge propagiert wird und ihre Sicht der Dinge die Politik erreicht. Am Ende entscheidet nicht mehr die Gesellschaft, was mit dem von ihr erwirtschafteten Reichtum geschieht, sondern eine kleine Gruppe Superreicher. Da hilft es auch wenig, wenn diese einen Teil ihres Reichtums spendet oder sonst wie guten Zwecken zukommen lässt. Denn was eigentlich demokratisch entschieden und vom Staat durchgeführt werden müsste, hängt so einzig und allein von den Launen und Wünschen Einzelner ab. Außerdem, das ist Sayer wichtig, seien die Superreichen und ihr Lifestyle ein Motor des CO2-Ausstoßes. Dem widmet er noch ein ganzes Kapitel.

Sayers Buch ist überzeugend, auch deswegen weil er eigentlich nichts Neues sagt, sondern nur Bekanntes zusammenfasst und mit einer deutlichen Schlussfolgerung garniert: Es ist einfach nicht zu akzeptieren, dass eine kleine Minderheit so große Reichtümer auf Kosten der Allgemeinheit anhäuft. Dies betrifft nicht nur Fragen rein materieller Verteilungsgerechtigkeit zwischen Arm und Reich, dies ist eine Bedrohung für die Demokratie, da mit dieser Reichtumsakkumulation auch Macht in den Händen weniger akkumuliert wird. So ist es letztlich nicht nur aus sozialen Gründen notwendig, die Superreichen zurechtzustutzen, sondern auch aus Gründen der Demokratie.

Dies alles ist richtig und wird mit vielen guten Argumenten präsentiert. Nur in einem Punkt ist Sayer oft nicht ganz sauber. So will er zwar strukturell und nicht anhand von Personen ein gesellschaftliches Problem darstellen und dafür werben, es zu beheben. Das gelingt ihm auch, aber doch wird es auch immer wieder mal persönlich, insbesondere wenn er den Lifestyle und den CO2-Ausstoß der Superreichen anspricht. Theoretisch könnten diese Menschen auch ein CO2-neutrales Leben führen, das würde die Superrechen sicher etwas sympathischer machen, aber es wäre nicht weniger problematisch, dass es sie gibt. So stehen strukturelle und systembedingte Analysen hier oft neben doch sehr individuell-persönlichen Beschreibungen. Das ist an sich nicht schlimm, würde Sayer nicht selbst behaupten, dass er die Superreichen nicht als Personen mit diesem Buch adressiere, was eben zumindest teilweise nicht stimmt.

Dennoch ist das Buch mehr als lesenswert, da es in einfacher und klarer Sprache, herausarbeitet, welche ernsten Konsequenzen es für die Gesellschaft und die Menschheit als Ganzes hat, zuzulassen, dass so wenige so viel haben, das ihnen nicht zusteht.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 19. September 2017 | ISBN: 978-3406708527 | Originaltitel: Why we can't afford the rich | Preis: 27,95 Euro | 477 Seiten | Sprache: Deutsch

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