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 Mitternacht

Autoren: Christoph Marzi
Verlag: Piper

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Nicholas James hat wirklich Glück gehabt. Sein erstes Buch ist erschienen, er lebt in London auf einem Hausboot und hat eine hübsche Freundin an seiner Seite. Eigentlich sollte er zufrieden sein. Als er aber eines Nachts aufwacht, hat er nicht nur die Idee zu einem neuen Buch im Kopf, er sieht sich auch einem Fremden gegenüber. Was macht der unbekannte Mann auf seinem Boot? Nicholas kann es sich nicht erklären. Überhaupt kommt ihm die Begegnung so unglaublich vor, dass er fast meinen könnte, es hätte sie nur geträumt. Was er nicht weiß: Auch der Fremde war von Nicholas überrascht und trifft die Entscheidung, diesem ein anderes London zu zeigen, im wahrsten Sinne jenseits der großen Stadt, die jeder kennt.

Da ist er wieder. Christoph Marzi hat ein weiteres Buch über die Metropole London geschrieben, der er schon in "Lycidas" eine unbekannte Seite verpasst hat. War es in seinem Erstlingswerk und den Folgeromanen eine Stadt unterhalb des eigentlichen London, so führt er seine Leser dieses Mal gleich in eine andere Dimension.

Hier finden sich die Verstorbenen aller Epochen, düstere Geheimnisse und Intrigen, die beiden Welten gefährlich werden können. Dabei schafft Marzi es, im ersten Teil seines Romans beide Handlungsorte atmosphärisch dicht und spannend zu beschreiben. Seine Hauptfigur ist ein sympathischer junger Mann, der sich zurückhaltend, aber neugierig auf ein Abenteuer einlässt, das ihn mehr als einmal in Gefahr bringt.

Bei der Einführung der Figuren, deren Geschichte offensichtlich in mehr als einem Buch erzählt werden soll, lässt der Autor sich Zeit. In seinem üblichen Stil führt er sich wiederholende Phrasen ein, beschreibt sorgfältig sowohl Menschen als auch Umgebung und schafft es, im Kopf des Lesers die richtigen Bilder entstehen zu lassen. Da darf die Handlung ruhig etwas gemächlich voranschreiten, es lohnt sich allemal, bei der Geschichte zu verweilen.

Unglücklicherweise ändert sich eben dieser Stil ungefähr zur Hälfte des Romans drastisch. Urplötzlich galoppiert die Handlung voran, die Figuren hasten von einer Szene zur anderen und die nötigen Erklärungen werden dürftig. Es ist mehr als deutlich, dass hier ein Buch schnell zu Ende gebracht werden sollte. An vielen Stellen irritiert diese Geschwindigkeit deutlich und es hätte dem Buch besser getan, hätte es ein wenig ruhen dürfen, bevor es beendet wurde. Damit unterscheidet es sich nicht nur von allen anderen Marzi-Romanen, es wirkt auch seltsam unfertig.

Im Nachwort liefert der Autor dafür eine gute und sehr persönliche Erklärung, die menschlich sehr nachvollziehbar ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass hier eine wundervolle Idee nicht in dem Maße ausgeführt wurde, in dem sie es verdient hätte.

Da das Ende des Romans eine Weiterführung der Geschichte ermöglicht, bleibt dem Leser nur, Herrn Marzi alles Gute zu wünschen, damit seine großartige Fantasie und die Fähigkeit, dieser eine Stimme zu verleihen, es ihm bald wieder ermöglichen, auf gewohntem Niveau Romane zu schreiben.

Ein Blick ins Buch ist auf der Verlagsseite möglich.


"Mitternacht" lässt mich sehr zwiegespalten zurück. Da Herr Marzi in seinem Nachwort auf einen erlittenen Schlaganfall und die damit verbundenen Schwierigkeiten, das Buch zu beenden, eingeht, gibt es eine sehr gute Erklärung für den Qualitätsabfall in der Geschichte. Dieser wäre ohnehin nicht zu ignorieren und der Leser kann besser verstehen, warum dies so ist. Allerdings sollte ein Buch nicht nach den Umständen, unter denen es geschrieben wurde, beurteilt werden, sondern nach seiner Geschichte, denn genau dafür wird ein Buch gekauft. Daher, auch wenn ich Herrn Marzi alles Gute wünsche, kann ich nicht umhin festzustellen, dass "Mitternacht" nicht das Niveau erreicht, dass der Autor für gewöhnlich abliefert. Der zweite Teil des Romans ist unbefriedigend und wäre dies mein erstes Buch von Christoph Marzi, so wäre es auch mein letztes gewesen. So hoffe ich darauf, dass es noch weitere, bessere Bände zu der Geschichte geben wird, denn die Idee ist grandios und ich würde mich freuen, würde sie weiter ausgebaut.


Iris Jockschat



Taschenbuch | Erschienen: 4. Juni 2019 | ISBN: 9783492280907 | Preis: 15,00 Euro | 320 Seiten | Sprache: Deutsch

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