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 Das Persönlichkeits-Störungs-Rating-System

Narzisstische, histrionische, dependente und selbstunsichere Persönlichkeitsstörungen diagnostizieren


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Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Persönlichkeitsstörungen sind im Rahmen einer Psychotherapie oft schwer zu diagnostizieren. Die beiden großen Klassifikationssysteme DSM und ICD, die zur Diagnostik psychischer Störungen eingesetzt werden, sprechen von überdauernden und stabilen Mustern im inneren Erleben und Verhalten, die signifikant von soziokulturellen Erwartungen abweichen. Das heißt, Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln als auch die Gestaltung von sozialen Beziehungen funktionieren bei Menschen mit Persönlichkeitsstörung merklich anders als bei Menschen ohne Persönlichkeitsstörung.

Rainer Sachse geht in seinem Buch „Das Persönlichkeits-Störungs-Rating-System“ zum einen darauf ein, warum Persönlichkeitsstörungen so schwer zu diagnostizieren sind und wo die beiden Klassifikationssysteme inklusive der daraus abgeleiteten Checklisten, Interviews und Fragbögen an ihre Grenzen stoßen. Zudem zeigt er einen Weg auf, der es Therapeuten vereinfachen soll, Persönlichkeitsstörungen zu diagnostizieren und damit die Behandlung entsprechend anzupassen. Schon früh im Buch unterscheidet Sachse „offizielle“ und Supervisionsdiagnosen. Um Supervisionsdiagnosen geht es im Buch. Sie sind keine Zuschreibungen, sondern Heuristiken, die dem Therapeuten helfen, lebendige und sich weiterentwickelnde Modelle über und damit Lösungen für den Patienten zu entwickeln.

Sachse beschreibt sechs Charakteristiken, die deutlich machen sollen, warum die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen schwierig ist: Beziehungsorientierung, mangelnde Änderungsmotivation, Hyper-allergische Schemata, Misstrauen, Images und Appelle sowie mangelnde Repräsentation. Viel mehr als bei Achse-I-Störungen ist es bei der Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen notwendig, aus den impliziten Informationen, die der Patient anbietet, Schlussfolgerungen zu ziehen – und genau dabei will das Persönlichkeitsstörungs-Rating System die Therapeuten unterstützen. Es will helfen, Informationen hinsichtlich einer möglichen Persönlichkeitsstörung frühzeitig zu gewinnen, auch wenn der Patient noch nicht bereit oder in der Lage ist, die dazu notwendigen Informationen explizit anzubieten. Eine besondere Rolle in diesem Prozess spielen Images und Appelle, die Patienten zur Beziehungsgestaltung nutzen und die oft automatisiert ablaufen und für Patienten nur schwer zu kontrollieren sind.

Das im Buch vorgestellte Rating-System umfasst Kriterien für vier Persönlichkeitsstörungen: narzisstische Persönlichkeitsstörungen, wobei erfolgreiche, erfolglose und gescheiterte Narzissten unterschieden werden; histrionische Persönlichkeitsstörungen mit ebenfalls erfolgreichen und erfolglosen Histrionikern, dependente Persönlichkeitsstörungen und selbstunsichere Persönlichkeitsstörungen. An zwei Transkripten wird der Ratingprozess anschließend illustriert. Und um das Persönlichkeitsstörungs-Rating-System auf ein stabiles Fundament zu stellen, fasst Rainer Sachse am Ende des Buches empirische Befunde zu Reliabilität und Validität des Systems zusammen und ordnet die Ergebnisse ein.

Rainer Sachse ist Leiter des Instituts für Psychologische Psychotherapie in Bochum und hat zahlreiche Artikel und Bücher zu Persönlichkeitsstörungen veröffentlicht. Er fasst Persönlichkeitsstörungen als Beziehungsstörungen auf und macht die Beziehungsstörung zum Fokus des Persönlichkeitsstörungs-Rating-Systems. Dieser Fokus ist tatsächlich sehr hilfreich in der verhaltenstherapeutischen Praxis, so hilft er beispielsweise soziale Phobie besser von selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung zu unterscheiden, was nicht immer ganz einfach ist.

Ganz allgemein fördert das Buch eine Perspektive, die die Beziehungsgestaltung des Patienten mehr in den diagnostischen Fokus rückt. Therapeuten, die diese Perspektive vorher vernachlässigt haben, können aus dem Buch lernen, dass zu einer ausführlichen Diagnostik, das heißt, zu einem umfassenden Verständnis des Patienten, nicht nur die Abklärung von Achse-I-Symptomen gehört. Auch aktuelle Beziehungserfahrungen sollten thematisiert, mögliche Kosten analysiert und bei Bedarf Lösungen in die Behandlungsplanung aufgenommen werden. Damit leistet das Buch bereits recht viel, gerade auch in Anbetracht dessen, dass die Diagnostik und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im Vergleich zu Achse-I-Störungen in der Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten weniger Raum einnimmt.

Sachse präsentiert viele hilfreiche Informationen als auch seine zugrundeliegende therapeutische Haltung auf kurzweilige und gut verständliche Weise, sodass sein Buch für Verhaltenstherapeuten uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Auf der Verlagsseite kann eine Leseprobe eingesehen werden.

Katja Maria Weinl



Softcover | Erschienen: 9. Dezember 2019 | ISBN: 9783801729943 | Preis: 26,95 Euro | 149 Seiten | Sprache: Deutsch

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