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 Zacharias

Autoren: John La Galite
Übersetzer: Cornelia Hasting
Verlag: Europa Verlag

Cover
Gesamt +++++
Aufmachung
Gefühl
Spannung


Zacharias ist zwölf Jahre alt und lebt mit seiner allein erziehenden Mutter, die als Nachtschwester im Krankenhaus arbeitet, im siebten Stock eines Mietshauses. Ungewollt wird der intelligente Junge Zeuge, wie eine Nachbarin vom Dach springt und vor seinen Augen auf dem Gehweg aufschlägt. Zacharias beginnt auf eigene Faust, Nachforschungen anzustellen: Hat sich die Frau wirklich selbst umgebracht? Oder gibt es einen Zusammenhang zu den Morden an jungen, hübschen Frauen in der Stadt? Vielleicht hat der neue Nachbar etwas damit zu tun, der in die Wohnung der verstorbenen Frau gezogen ist; Zacharias beginnt, dem Mann nachzuspionieren, indem er ihn vom Dach des Nachbarhauses mit dem Fernglas beobachtet. Auch die übrigen Nachbarn bleiben nicht verschont von der Neugier des Jungen, der so manches dunkle Geheimnis seiner Mitmenschen aufdeckt.
Da hat der neue Nachbar, dessen Name Jakob ist, einen schweren Motorradunfall. Als er endlich aus dem Krankenhaus entlassen und, angeschlossen an lebenserhaltende Gerätschaften, in seine Wohnung zurückgebracht wird, kümmert sich Zacharias’ Mutter um seine Pflege. Zacharias selbst sieht seine Chance gekommen, Jakob als Verdächtigen, was die Morde angeht, genauer in Augenschein zu nehmen. Um seine vom Leben frustrierte Mutter zu unterstützen, bietet er seine Hilfe bei Jakobs Pflege an. Aber nicht nur das Wohlergehen seiner Mutter liegt dem Jungen am Herzen - indem er hilft, hat er gleichzeitig die Möglichkeit, allein mit dem schwer Verletzten zu sein. Und so entspringt den einfachen Unterhaltungen ein Verhör und damit ein geistiges Duell zwischen Zacharias und Jakob. Und schließlich ist die Lösung des Rätsels für Zacharias zum Greifen nahe ...

"Zacharias" erfuhr seine Erstveröffentlichung bereits 1999 und erschien in Deutschland erstmals 2005 im Europa Verlag. Bedauerlich, dass ein solches Werk der Leserschaft hier so lange vorenthalten wurde, denn "Zacharias" verbindet einen klaren, ansprechenden Schreibstil mit einer Geschichte, die spielerisch unterhaltsam beginnt und den Leser nach und nach immer mehr in ihren Bann zieht. Aus Zacharias’ Sicht begegnet man dem Geschehen, kurze, kindliche Sätze und schnelle Gedankensprünge bestimmen den Lesefluss. Dabei fühlt man sich tatsächlich nicht unterfordert, sondern in die Psyche eines - wenn auch sehr aufgeweckten - Kindes hineinversetzt, mit dem man die Geschehnisse im Mietshaus erforscht. Mit naiver Neugier werden die emotional aufrüttelnden Geheimnisse der anderen Mieter erforscht und mit kindlicher Unschuld kommentiert. Die Art und Weise dieser Darstellung ist umso bedrückender, erkennt man die wohlbehüteten sprichwörtlichen Leichen in den Kellern der einzelnen Nachbarn. Diese Dinge aus der Sicht eines Kindes zu sehen, macht umso betroffener, je tiefer man in die dunklen Seiten der Menschen in Zacharias’ nächster Umgebung eintaucht und je mehr man davon erfährt. Dabei bleibt stets das Gefühl zurück, der erzählende Zacharias verheimliche dem Leser mehr, als er tatsächlich preisgibt.
Obwohl die Handlung keine offensichtlichen Spannungsmomente enthält - Szenen aus Zacharias’ Leben mit seiner Mutter finden ihren Platz neben den Spionagetouren des Jungen ebenso wie seine Unterhaltungen mit Jakob in dessen Wohnung -, fesselt die Handlung. Wie geht es weiter mit den mosaikartigen, wechselseitigen Verhören zwischen Zacharias und Jakob? Welche weiteren dunklen Geheimnisse werden gelüftet? Wer ist nun der Mörder der Frauen? Und wird es Zacharias gelingen, ihn zu finden? All diese Fragen halten den Leser ebenso bei Laune wie die bündigen, punktuellen Kapitel, durch die immer mehr von den Ereignissen aufgedeckt wird. Interessanterweise gibt es keine sichtliche Spannungssteigerung zu den letzten Seiten des Romans hin, es gibt kein krimiübliches Finale - dafür jedoch wird dem Leser ein fulminantes, Gänsehaut verursachendes Ende geliefert, das ein tolles Buch zu einem verdienten Abschluss führt.

"Zacharias" ist kein Krimi im herkömmlichen Sinn. La Galite verbindet stilistische Raffinesse mit lockender Subtilität. Nicht die Morde sind im Mittelpunkt des Geschehens: Es ist Zacharias’ Welt, die beleuchtet wird und die vom Autor zum Objekt des Interesses gemacht wird. Erschreckend, stimmungsvoll, aufregend - und sehr zu empfehlen.

Tina Klinkner



Hardcover | Erschienen: 01. Juli 2005 | ISBN: 3203795043 | Originaltitel: Zacharie | Preis: 17,90 Euro | 202 Seiten | Sprache: Deutsch

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