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 Ein Tag des Iwan Denissowitsch


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Humor
Spannung
Iwan Denissowitsch Schuchow sitzt bereits seit mehren Jahren in einem russischen Gefangenenlager. Im Jahr 1941 geriet er ins deutsche Kriegsgefangenschaft, schaffte es aus dieser zu fliehen und wurde dann von seinen russischen "Genossen", als angeblicher Spion gefangen genommen.
Schuchow ist nicht der Einzige dem er so erging, die Gulags, die sowjetischen Strafgefangenenlager, sind voll mit Leuten. Bei tiefsten Minustemperaturen müssen sie unterversorgt schwere Arbeiten verrichten. Ein Vorankommen gibt es kaum, fehlt doch häufig der Nachschub an Material, ist zu wenig Werkzeug da und jeder Offizielle auch noch korrupt.

Das Leben für die Strafgefangenen ist enorm hart. Von allen Seiten wird ihnen alles Mögliche abgenommen, zu Essen gibt es kaum und geheizt wird nicht. Es kann nur der überleben, der sich auf eine solche Situation einstellen kann. Man muss wissen, wie man Dinge verbergen kann, wie man Kontakte aufbaut, durch die man profitiert und das, was man erwirbt, sehr gut verbergen kann.

Das Buch beschreibt einen Tag im Leben Schuchows. Er beginnt mit dem frühen Aufstehen, bei dem er sich krank fühlt. Krank melden kann er sich aber nicht, dass hätte er am Vorabend machen müssen. Und morgens dürfen nur zwei Leute krankgeschrieben werden, es sei denn, man hat genügend Bestechungsmaterial. Dennoch versucht es Schuchow, doch er ist zu spät dran. Also schnell zum Abmarsch bereit machen. Das bedeutet, längere Zeit bei Minus zwanzig Grad draußen stehen, die Jacke und die Weste aufmachen und sich durchsuchen lassen. Anschließend dann vor das Tor treten, sich noch einmal durchsuchen lassen und schließlich zur Baustelle gelangen. Dort erfolgt die nächste Durchsuchung.
Auf der Baustelle werden dann die Arbeiten verteilt. Schuchows Brigade muss am Kraftwerk arbeiten. Lange hat dort niemand mehr gearbeitet. Der Aufzug ist kaputt und das erste ist, dass ein illegaler Wärmeraum eingerichtet werden muss, um sich aufzuwärmen, aber auch um den Zement aufzutauen.
Alles muss durch tiefen Schnee zum Kraftwerk getragen werden, dann müssen die Steine per Hand hoch gebracht werden, in die erste Etage. Anschließend folgen die Maurerarbeiten. Zum Mittag gibt es eine kurze Pause, mit nicht gerade sättigender Wassersuppe und anschließend wird weiter gearbeitet.

Vor dem Abmarsch wieder mehrere Kontrollen und beim Eintritt ins Lager dasselbe. Dann kann man schnell Dienste für andere erledigen, in der Hoffnung, von ihnen etwas zu erhalten. Es folgt das spärliche Essen, schnell noch ein paar Dinge erledigen und schließlich der letzte Appell. Damit ist der Tag nicht beendet. Noch eine Kontrolle in den Baracken, die Nacht dann bei tiefsten Minusgraden in einem ungeheizten Raum verbringen und nach wenigen Stunden der lange Tagesablauf wieder.

Aber Schuchow hatte einen guten Tag. Am Abend fühlt er sich wieder fit, er konnte ein wenig extra Nahrung ergattern und durch seine Dienste auch an ein wenig Tabak, Wurst und Gebäck gelangen. Außerdem gingen die Maurerarbeiten gut voran. Besonders das letzte macht ihn stolz.

Acht Jahre hat er nun schon abgesessen und in zwei Jahren müsste er frei kommen. Frei bedeutet dann aber Verbannung und nicht heim zur Familie. Wäre es dann nicht vielleicht sogar besser, wenn die Lagerstrafe einfach erhöht werden würde, wie es bei vielen einfach geschieht? Dann weiß man wenigstens, wodran man ist.

Schuchow ist ein sehr genügsamer Mensch, der einen gewissen Stolz auch in einer enorm schwierigen Lage beibehält. Er befindet sich in einem vollkommen willkürlichen System, in dem er vielen Leuten einfach hilflos ausgeliefert ist. Nur der kleinste Fehler kann den sofortigen Tod oder Schlimmeres bedeuten. Schlimmeres wäre in diesem Fall eine richtige Haft. Also in einem Gefängnis, in welchem es täglich nur Brot gibt, alle drei Tage Wassersuppe und das Eis sich an den Wänden sammelt. Keiner überlebt darin fünfzehn Tage Haft. Also ist Schuchow abends vollkommen glücklich, dann doch in der Baracke zu liegen und sich den Bauch mit vierhundert Gramm und vier winzigen Schüsseln Wassersuppe "voll geschlagen" zu haben. Das ist für ihn ein ziemlich guter Tag.

In diesem Roman wird zwar nur ein Tag aus Schuchows Leben geschildert, dies aber sehr eindringlich. Das ganze ist eine enorm detailreiche Schilderung, die nicht nur das Leben im Gulag, sondern auch alle beteiligten Personen enorm plastisch schildert und somit lebensecht erscheinen lässt. Diese Schilderung ist enorm eindrucksvoll und sprachlich an den Inhalt angepasst. Man findet also einen nüchternen, bisweilen rauen Ton. Dadurch passt alles in diesem Roman wunderbar zusammen.

Wie viel Wahrheit in diesem Roman steckt, kann ich nicht beurteilen. Aber gerade die Plastizität des Romans möchte einen Glauben machen, dass alles genau so und nicht anders war. Die Willkür und Unterdrückung kommt enorm deutlich herüber und das Buch versteht es die Stimmung sehr gut einzufangen, zugleich aber auch zu vermitteln, es könnte alles noch schlimmer werden, seien wir doch mit dem, was wir jetzt haben, zufrieden.

Jens Fleischhauer



Taschenbuch | Erschienen: 1. Juli 1999 | ISBN: 9783426616260 | Preis: 6,90 Euro | 116 Seiten | Sprache: deutsch

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