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 Hannibal Rising

Autoren: Thomas Harris
Übersetzer: Sepp Leeb
Verlag: Hoffmann und Campe

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Spannung


In "Hannibal Rising" wird die Kindheits- und Jugendgeschichte des berühmten Roman-Kannibalen Hannibal Lecter erzählt, den Fans aus den Büchern "Roter Drache", "Das Schweigen der Lämmer" und "Hannibal" kennen. Die Geschichte ist aufgebaut als Einblick in Hannibals Gedächtnispalast, einer Art virtuellem Museum, das ausschließlich in Lecters Kopf existiert, aber wie reale Räumlichkeiten mit Farben, Strukturen und Musik versehen ist.

Hannibals Erinnerungen beginnen in Litauen, wo er mit seiner Familie und den Angestellten des Hauses eine glückliche Kindheit verbringt. Besonders vernarrt ist er in seine Schwester Mischa, der er mit viel brüderlicher Zärtlichkeit begegnet. Als der Krieg ausbricht, flüchten die Lecters in das nicht weit entfernte Jagdhaus. Drei Jahre lang schaffen sie es, hier zu überleben. Der Hauslehrer, Herr Jakov, bringt Hannibal die Mathematik und jegliches logische Denken nahe, wofür der Junge eine natürliche Begabung in sich trägt, genau so, wie ihm das Zeichnen von Natur aus liegt und in äußerster Präzision gelingt.

1945 geschieht das Unvermeidliche. Ein Trupp von Hiwis stößt auf das Anwesen der Lecters. Im Kriegskampf kommen bis auf Hannibal und seine kleine Schwester Mischa alle Mitglieder der Familie ums Leben. Die Gruppe der verdreckten und äußerst rauen Kriegsmänner nistet sich im Haus ein.

An alles, was danach geschehen ist, kann sich Hannibal nicht mehr erinnern, bewusst erlebt er erst wieder ein paar sowjetische Soldaten, die ihn mit einer Kette um den Hals und halb erfroren im Wald auflesen. Er kommt nach Paris zu seinem Onkel und dessen Frau, Lady Murasaki, die er umgehend ins Herz schließt. Die Kriegsgräuel haben ihn allerdings nachhaltig geschädigt. Hannibal kann nicht mehr sprechen, obwohl er physisch dazu in der Lage wäre, und er ist innerlich abgestumpft.

Ab diesem Zeitpunkt reagiert Hannibal auf alle Gewalttätigkeit, die sich gegen einen Schwächeren richtet, äußerst aggressiv. Ohne auf sich selbst Rücksicht zu nehmen, stürzt er sich prügelnd und brutal auf andere Jugendliche, die einem jüngeren auf den Kopf spucken oder ähnliches. Aus diesem Beweggrund begeht er auch seinen ersten Mord, als der Metzger der Stadt Lady Murasaki beleidigt.


Die Geschichte um Hannibal Lecter verliert in diesem Roman all ihre Mystik, da aus namenlosen Schrecken eine reale Furcht wird. Die Geschichte dreht sich um den Krieg und seine Folgen. Es wird sehr genau geschildert, was Hannibal zustößt, und es wird nachvollziehbar gemacht, wie er sich Schritt für Schritt verändert. Dabei spielen sowohl große Liebe als auch großer Hass eine Rolle. Etwas anderes als diese beiden Extreme scheint Hannibal für seine Mitmenschen nicht mehr empfinden zu können.

Aufgebaut wird alles auf dem Gräuel, das seiner Schwester zugestoßen ist. Die Erinnerung daran hat Hannibal zwar verloren, aber es werden immer wieder Gedächtnisfetzen eingestreut, die im Laufe der Geschichte ein Gesamtbild entstehen lassen. Leider sind dem Leser die wahren Vorfälle sehr schnell bekannt, während der Protagonist sich bis ins zweite Drittel des Buches mit seinen fehlenden Erinnerungen quält.

Bis zu Hannibals großem Rachefeldzug gegen die Männer, die seiner Schwester Schlimmes angetan haben, zieht sich die Geschichte oftmals in die Länge, weiß man als Leser doch, worauf es hinausläuft. Außerdem liest sich der Roman stellenweise nicht wie ein solcher, sondern man hat das Gefühl, einen Polizeibericht oder Ähnliches in der Hand zu halten. Kurze Sätze, in denen Beschreibungen und Begebenheiten in Kurzform aneinandergereiht werden, sind keine Seltenheit und stören den Lesefluss. Man kann sich kaum vorstellen, dass der Autor dieses Buches auch die oben genannten Bestseller geschrieben haben soll.

Darüber hinaus wird die gesamte Geschichte sehr emotionslos geschildert. Das mag zwar recht genau widerspiegeln, wie die Ereignisse in Hannibals Gedächtnispalast abgespeichert sind, liest sich aber nicht besonders spannend. Selbst blutige Morde nimmt man als Leser sehr unbeteiligt hin, ohne beim Lesen großen Horror oder viel Abneigung zu empfinden. Dadurch werden auch die einzelnen Personen in der Handlung oft kontur- und charakterlos. Einzig Inspektor Popil und Lady Murasaki stechen hier hervor, wobei letztere in ihren Handlungen schon fast schon karikiert wirkt.

Fazit: Freunde des Horrors und Fans von Hannibal Lecter werden von diesem mäßig spannenden Roman enttäuscht sein. Sie mögen sich lieber weiterhin an die bereits erschienenen Romane von Thomas Harris halten. Auf Menschen, die einen Einblick in Kriegsgeschehnisse erhalten möchten und in die Möglichkeiten, wie diese Menschen beeinflussen können, wird die Geschichte allerdings einen gewissen Reiz ausüben.

Bine Endruteit



Hardcover | Erschienen: 01. Dezember 2006 | ISBN: 9783455400502 | Originaltitel: Hannibal Rising | Preis: 19,95 Euro | 304 Seiten | Sprache: Deutsch

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