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 Das Komische in der Kunst

Herausgeber: Roland Kanz
Verlag: Böhlau

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


In der Kunst treten immer wieder komische Elemente auf, gewollt wie bei Pieter Brueghel dem Älteren oder unfreiwillig. Außerdem sind unterschiedliche Auffassungen von Komik und Humor zu unterscheiden. Dieser Aspekt der Kunst wurde bislang kaum untersucht - "Das Komische in der Kunst" bietet die Möglichkeit, bewusster und versehentlicher Komik in der bildenden Kunst aus verschiedenen Blickwinkeln zu begegnen.
Das Buch besteht aus Artikeln unterschiedlicher Autoren zu spezifischen Themen. Entlarvend ist bereits der erste Beitrag, "Das Komische an der Kunstwissenschaft", der anhand von Beispielen aufzeigt, wie Kunstwissenschaftler beim Versuch, ein Kunstwerk auf Biegen und Brechen zu interpretieren oder sich selbst zu beweihräuchern, die tollsten Böcke schießen. Die meisten Beiträge befassen sich allerdings ganz konkret mit Phänomenen aus der Kunst, zum Beispiel mit den Putten, deren Darstellungen, von übereifrigen Künstlern bisweilen unpassend oder aber in anderen Fällen zielgenau eingesetzt, schon einmal ins Groteske abgleiten. Freilich empfinden wir heute nicht mehr alles als komisch, was in früheren Zeiten belacht wurde. Bilder und Skulpturen von missgestalteten Menschen, durch weitere Attribute noch mehr der Lächerlichkeit preisgegeben, erregen heute eher Mitleid als Amüsement.
Ein Artikel thematisiert die "verfehlten Augenblicke". Der Autor zeigt anhand diverser Darstellungen der Sage von Apoll und Daphne, wie eine höchst dramatische Szene durch die Wahl des richtigen Moments, quasi vom Kunstwerk eingefroren, im Höhepunkt eingefangen wird - oder im gegenteiligen Fall, wenn der Künstler bezüglich des Augenblicks und der Bewegung "danebengreift", zu einer unfreiwilligen Karikatur verkommt.
Zahlreiche weitere Beiträge enthalten Betrachtungen zu anderen relevanten Aspekten, unter anderem zur Denkmalpflege, die schon einmal zur Komödie ausarten kann, und zu Martin Kippenbergers teilweise umstrittenen komischen Tierdarstellungen.

Dieses Buch wendet sich an Kunstfreunde, die sich für die scheinbar kleinen Besonderheiten hinter der Fassade der offiziellen Kunstbetrachtung interessieren. Der Leser sollte nach Möglichkeit einige Kenntnisse sowohl bezüglich der Kunst- als auch der Literaturgeschichte mitbringen und keine in der Hauptsache unterhaltsamen, sondern zumeist streng sachbezogene Artikel erwarten.
Bewusst komische Inszenierungen von Künstlern in der Fotografie des 19. Jahrhunderts zeigen, dass Künstler zu sehr viel Eigenhumor fähig sind. Andere, wie der bereits erwähnte Pieter Brueghel, nehmen ohne viel Umschweife die sie umgebende Gesellschaft aufs Korn. Jene Maler und Bildhauer, die missgebildete Hofnarren auf die Leinwand oder in Stein bannen, unterstreichen deren zur Ausgrenzung führende Andersartigkeit, oder sie geben ihnen, wie Velázquez, einen rätselhaften Anstrich durch ein breites, schwer interpretierbares Lachen, das sich nicht allein auf "Blödheit" zurückführen lässt.
Manchen Park zieren bewusst lächerliche Figuren, etwa eine verliebte Alte im Garten der Villa Widman, Bagnoli di Sopra bei Rovigo. In diesem Umfeld kommen auch die mehrfach thematisierten Putten zur Geltung, wahre Verwandlungskünstler, die gern für komische Rollen und Verkleidungen gebraucht werden.
Handfeste Komödie kann man im Kapitel über den Denkmalschutz genießen, der Beispiele aus Köln aufzeigt, die wie eine echte Theaterklamotte wirken. Der beinahe zynische Blick hinter die Kulissen weist darauf hin, dass der Status als Baudenkmal oft von wirtschaftlichen Überlegungen abhängt, und dass Bürgerwunsch, Behördenwillkür und Kapital in unguter Weise miteinander verflochten sind - Realsatire pur.
Das Buch ist reich mit Schwarzweißaufnahmen der in den Beiträgen vorgestellten Kunstwerke illustriert. Zu jedem Artikel gibt es Anmerkungen und Literaturverweise.
Für Kunstfreunde mit einigen Hintergrundkenntnissen ist dieses Buch eine Bereicherung; es ermöglicht die Betrachtung von Kunstwerken unter einem ungewohnten Gesichtspunkt und nimmt der bildenden Kunst, aber auch der ihr zugehörigen Wissenschaft ein wenig von ihrem Nimbus.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. März 2007 | ISBN: 9783412072063 | Preis: 29,90 Euro | 321 Seiten | Sprache: Deutsch

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