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 Wörter machen Leute

Gesellschaft und Sprachen im Europa der frühen Neuzeit

Autoren: Peter Burke
Übersetzer: Matthias Wolf
Verlag: Wagenbach

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Anspruch
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Die Entwicklung der Sprachen, so sollte man denken, gehört zu den Forschungsgebieten des Linguisten. Dass aber die Sprachgeschichte auch aus kulturhistorischer Sicht interessant sein kann, beweist der britische Historiker Peter Burke in seinem Buch "Wörter machen Leute". Burke untersucht hier die europäischen Sprachen der frühen Neuzeit und zeigt auf, welche Rolle sie im Bewusstsein der frühneuzeitlichen Gesellschaft spielten und welche Veränderungen sie durchmachten. Das ist, wie man schon nach wenigen Seiten feststellen kann, äußerst spannend. Denn bis etwa die Volkssprachen als identitätsstiftende Attribute der (Sprach-)Gemeinschaften wahrgenommen wurden, verging eine Weile. Latein war und blieb bis ins 17. Jahrhundert die Lingua franca, die zur Verständigung zwischen den Völkern diente, insbesondere zwischen den wissenschaftlichen und religiösen Eliten. Später nahm das Französische diese Stellung teilweise ein, auch wenn Latein bis ins 19. Jahrhundert bedeutsam blieb. Mit der Entdeckung des Nationalgedankens setzte derweil ein Wettstreit der Sprachen ein, und in diversen Schriften machten sich Patrioten jeglicher Coleur daran, die deutsche, polnische, flämische, schwedische oder portugiesische Sprache als vorzüglichste und allen anderen Sprachen überlegende zu preisen. Mit wachsender Mobilität und Infrastruktur bildeten sich zunehmend homogene Sprachgebiete, wobei kleine Sprachen wie Gotisch oder Kurisch verschwanden, andere (wie das Walisische) fast vollständig ihre Bedeutung einbüßten und nur durch ein Wunder überlebten. Schließlich begann sich auch die Politik in diese natürlichen Prozesse einzusetzen: einzelne Staaten versuchten "ihre" Sprachen zu standardisieren, vor fremden Einflüssen zu schützen oder bereits eingewanderte Wörter einzugemeinden. Dennoch ließ sich Sprachmischungen nicht vermeiden, zumal diese die Sprachen bereicherten und Mängel im jeweiligen Wortschatz ausglichen.

All dies - und noch viel mehr - erzählt Peter Burke äußerst packend und farbenfroh. Er versteht es, gesellschaftliche Prozesse komprimiert und pointiert darzustellen, ohne dass die Verständlichkeit darunter leidet. Wie seine anderen Werke über die Renaissance gehört auch dieses Buch zu jenen, die auch Fachfremde mit großem Gewinn lesen können. Wer sich auf eine Sprachreise durch das Europa der frühen Neuzeit mitnehmen lassen will, sollte zugreifen.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. Oktober 2006 | ISBN: 9783803136213 | Originaltitel: Languages and communities in early modern Europe | Preis: 24,50 Euro | 277 Seiten | Sprache: Deutsch

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