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 Kochen mit Fernet-Branca


Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Gerald ist eigentlich Brite. Doch um der Welt zu entfliehen hat er sich ein Haus in den Bergen über Viareggio gekauft. Dort in Italien im Schutz seiner eigenen vier Wände und der Waldeinsamkeit hat er die benötigte Ruhe um zu schreiben. Denn Gerald ist ein Ghostwriter. Er schreibt Biographien für Sportgrößen und würzt sie dabei stets mit der richtigen Portion Skandalen, damit die Bücher auch ihre Abnehmer finden. Auf alle Fälle hat er nun genug Muße um in Ruhe zu tippen, seinem Kochen zu frönen und dabei aus vollster Lunge seine Lieblingsarien zu singen. Das war jedenfalls der Plan, doch scheinbar ist die Nachbarin, die der Immobilienmakler als ruhige Ausländerin, die nur einen Monat im Jahr da ist, nicht so unproblematisch wie gedacht. Wie soll man denn seine Einsamkeit genießen, wenn eine dicke Nachbarin aus Woinowien, das irgendwo bei Polen oder Lettland liegen mag, auftaucht und einen mit Fernet-Branca abfüllt. Womöglich hat sie noch heimliche Hintergedanken und versucht ihn zu sich ins Bett zu kriegen. Aber dafür ist sie ihm eindeutig einige Nummern zu groß im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr gebrochenes Englisch macht die Unterhaltung nicht gerade flüssig und die typische Landeskost, die sie ihm vorsetzt, hebt nicht gerade seine missmutige Laune. Da hat er sich wirklich was Schönes eingebrockt, vorbei ist es mit der Idylle.

Marta hat es endlich geschafft, sich von ihrem alles überwachenden Vater zu lösen und ist vollkommen auf eigene Faust nach Italien gezogen. Wie hätte sie auch nein sagen können, wenn ihr Piero Pacini anbietet, die Titelmusik für seinen Film zu schreiben. Also hat sie rasch ihre Sachen gepackt und das einsame Haus in den italienischen Bergen gekauft. Herrlich ruhig war es da und so konnte sie unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen. Jedenfalls war das so geplant. Allerdings hat sich der Nachbar, den der Immobilienmakler als ruhigen Ausländer, der nur einen Monat im Jahr da ist, als störender herausgestellt als erwartet. Ständig hört sie seine schrecklich falschen Arien zu ihr hinüber schallen. Als sie dann dachte, nette Bekanntschaft mit ihm zu schließen und sich vorstellte, entpuppte er sich als rückgratloser Engländer. Und ein Trinker war er sicher auch. Schließlich hat er in Rekordzeit den Fernet-Branca, den sie mitgebracht hatte, weggeputzt. Nun ja, man muss dankbar sein, dass es einen selbst nicht so schlimm erwischt hat. Deshalb lud sie den faulen Säufer zu sich ein und setzte ihm was richtig Herzhaftes vor. Da hat er ganz schön zugelangt. Und abermals heftig dem Alkohol zugesprochen. Mit seiner Kleinkariertheit wird sie nicht ganz zurechtkommen, aber Mitleid hat sie schon mit ihm, wenn auch nur ein ganz klein wenig. Aber wenn er weiterhin so schrecklich singt, dann wird sie sich noch etwas dagegen einfallen lassen müssen.

Zwischen diesen beiden Nachbarn entspannt sich eine unterhaltsame und kuriose Geschichte voller Missverständnisse. Zwei Charaktere wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, stoßen aufeinander und beginnen den jeweils anderen aus tiefster Seele zu verachten. Bei der Aufklärung der Missverständnisse wird der eine durch seine britische Höflichkeit und die andere durch ihre mangelnde Beherrschung der englischen Sprache gehindert. So wuchert zwischen den beiden ein Spannungspotential, das sich immer mehr auflädt. Erschwerend kommt hinzu, dass Gerald ein sehr experimentierfreudiger Koch ist, dessen absonderliche Rezepte explizit im Buch aufgeführt werden. Ob jemals jemand so mutig sein wird, seine geräucherte Katze oder den Hase mit Schokolade auszuprobieren, dürfte fraglich sein. Marta hingegen entstammt einer Familie, die durch ihre dunklen Machenschaften mehr Geld und Kontakte hat, als ihr selbst liebt ist. Dass dabei die Polizei irgendwann vor der Türe auftaucht, dürfte nicht verwundern.

Herrlich absurde Charaktere, eine urkomische Geschichte und sehr viel Fernet-Branca ergeben eine intelligente Lektüre, die man lesen muss. Abweichend von den ausgetretenen Pfaden der Literatur ein gelungenes Experiment.

Daniela Hanisch



Hardcover | Erschienen: 1. Juli 2005 | ISBN: 3608937609 | Preis: 22,50 Euro | 364 Seiten

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