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 Kein Land für alte Männer

Autoren: Cormac McCarthy
Übersetzer: Nikolaus Stingl
Verlag: Rowohlt Tb

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Als Llewelyn Moss in der texanischen Wüste zufällig mehrere Leichen, von Kugeln durchsiebte Autos und einen Koffer mit einer beträchtlichen Geldsumme findet, gerät er nicht in Panik, sondern rekapituliert in aller Ruhe sein Leben und seine Möglichkeiten - und nimmt dann den Koffer, der mehrere Millionen Dollar enthält, an sich. Er geht zu seiner Frau und sagt ihr, dass sie vorerst zu ihrer Mutter ziehen soll und dass sie nie wieder nach Hause zurückkehren werden. Dann verlässt Moss sein altes Leben, wohl wissend, dass jemand den Koffer mit dem Geld suchen wird, und dass dieser jemand niemals aufgeben wird, bis er es hat.
Tatsächlich wird Moss ein Killer auf den Hals gehetzt: Der soziopathische Anton Chigurh lebt in einer Welt nach seinen eigenen Regeln, und wer ihm in die Quere kommt, hat in aller Regel ein sehr, sehr kurzes restliches Leben.
Der dritte im Bunde ist der alternde Sheriff Ed Tom Bell, der auf den Spuren der Morde ist, die von nun an den Weg von Moss und Chigurh pflastern, der aber nie nahe genug an die beiden heran kommt, um das Geschehen tatsächlich zu durchblicken.

Aus diesen recht einfachen Zutaten hat Autor Cormac McCarthy einen düsteren Thriller mit Western-Atmosphäre geschaffen, der unter die Haut geht. Erst kürzlich wurde der Roman von den Brüdern Joel und Ethan Coen verfilmt und räumte einige Oscars ab. Wer zuerst den Film "No Country For Old Men" gesehen hat, dem wird auffallen, wie akkurat und detailgetreu "Kein Land für alte Männer" umgesetzt wurde. Die Szenen sind - bis auf wenige Ausnahmen - eins zu eins gleich, Stimmungen, Dialoge und Handlungen entsprechen im Film ganz genau der Vorlage.

Faszinierend ist an diesem Roman zum einen seine Leidenschaftslosigkeit, die sich zu einhundert Prozent mit der Handlung und ihren Protagonisten deckt. Hier gibt es keine mitreißenden Action-Szenen, keine großen Gefühle, sondern nur schmerzhaften Realismus und - im Endeffekt - Trostlosigkeit.
Zum anderen, und hier ergänzt sich alles wirklich perfekt, sind die Protagonisten selbst genial gelungen. McCarthy beschreibt sie nüchtern und ergeht sich niemals in Emotionen. Der einzige, dem Nostalgie und Gefühle gestattet sind, ist Sheriff Bell - und damit entlarvt er sich als "alter Mann", auf den im Titel Bezug genommen wird. Bell ist der Entwicklung von Kriminalität und Gesellschaft lange nicht mehr gewachsen. Er trauert der Zeit hinterher, als noch Viehdiebe gejagt wurden, er zeigt sich betroffen über die irrsinnige und sinnlose Brutalität, die seinen Berufsalltag inzwischen ausmacht und die er nicht begreifen kann, weil er noch moralische Maßstäbe hat.
Dagegen sind sich Moss, der Vietnam-Veteran, und Chigurh, der perfekte, gnadenlose Killer, ironischerweise ein bisschen ähnlich - obgleich aus einigen Szenen klar wird, dass Moss Mitleid hat und kein schlechter Mensch ist. Chigurh hingegen spielt Schicksal, tötet wie am Fließband und ist faszinierend böse. Doch beide Männer besitzen eine Cleverness und Entschlossenheit, die dem Leser Bewunderung abringt. McCarthy zeigt uns nicht das Innenleben dieser beiden Personen - obwohl wir es erahnen und aus der Handlung zusammensetzen können -, sondern er zeigt uns seine beiden Hauptfiguren stets handelnd, planend. Wer hier schwer verletzt wird, der bricht nicht zusammen und zweifelt an sich, sondern der geht seinen Weg stoisch weiter. Hier gibt es noch "echte Männer" wie in alten Western, die nicht jammern, nicht reflektieren, sondern in erster Linie kämpfen. Es nützt ihnen trotzdem nichts.
Dies spiegelt sich auch in den Dialogen wieder, die nüchtern sind und karg wie die beschriebenen Landschaften. Sie stechen nicht einmal aus dem Text heraus, denn McCarthy benutzt keinerlei Anführungszeichen für die wörtliche Rede und beginnt die Dialoge häufig mitten im Satz. Dem gegenüber hat der Autor Monologe in kursiver Schrift gesetzt, die die Gedanken von Sheriff Bell wiedergeben und die die Handlung immer wieder unterbrechen.

McCarthy erlaubt es sich sogar, dieser Trostlosigkeit die Krone aufzusetzen und eine der Hauptfiguren vor Ende des Romans sterben zu lassen, und zwar sang- und klanglos.

"Kein Land für alte Männer" ist ein nüchternes, tiefgründiges und sehr ansprechendes Stück Literatur, das den Konventionen anderer Romane nur selten folgt. Knapp geschrieben, schlicht auf den Punkt gebracht und realitätsnah, wenn auch wie aus einer anderen Welt - ein sehr empfehlenswertes Buch!

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. März 2008 | FSK: 16 | ISBN: 9783498045029 | Originaltitel: No country for old men | Preis: 19,90 Euro | 288 Seiten | Sprache: Deutsch

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