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 Das Ende ist die Urfinsternis


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
In der Universitätsstadt Göttingen kommt es zu einer Serie von brutalen Morden. An den Tatorten findet die Polizei ägyptischen Sand, was die Ermittler Dorothea Fassbinder und Georg Roeder in das Michaelishaus führt, wo sich das Institut für Ägyptologie befindet.
Zugleich legt sich eine eisige Kälte über die Stadt, die mit jedem Mord stärker wird. Umso merkwürdiger ist daher das plötzliche Erscheinen von Millionen von Insekten, Kakerlaken und Skarabäen.
Die Studenten Maria und Phillip kommen mit ihrem Professor dem unheimlichen Mörder auf die Spur, der durch rituelle Morde das Ende der Welt, wie wir sie kennen, einläuten will. Grundlage für diese Rituale bildet das Amduat, ein Textstück, welches den Lauf der Sonne während der Nacht schildert. Dabei wird die Reise des Sonnengottes Re durch die Unterwelt beschrieben und jeder einzelne Mord spiegelt eine besondere Begebenheit dieser Reise wider. Am Ende der Fahrt durch die Unterwelt, die nach dem Mythos jede Nacht stattfindet, geht die Sonne auf und kündigt den neuen Tag an. Das Ziel des Killers ist es, das Licht zu besiegen und ewige Nacht zu schaffen: das Ende der Welt. Es kostet die Ägyptologen enorm viel Überredungskunst, die nüchtern denkenden Polizisten von der Wahrheit zu überzeugen. Denn ihrem Gegner, ebenfalls ein Professor für Ägyptologie, ist es gelungen, durch geheime Schriftrollen einen ägyptischen Gott zu entfesseln. Doch die Wirklichkeit sieht noch viel schlimmer aus, und die Geister, die der wahnsinnige Professor gerufen hat, wird er nicht mehr los ...

Dieses Buch als Grusel- oder Horrorroman zu bezeichnen, wäre sicherlich genauso falsch, wie es der Fantasy zuzuordnen. Es ist auch kein Krimi oder Thriller. Dieser Roman verbindet vielmehr alle Elemente zu einem perfekten Zusammenspiel der verschiedenen Genres. Die Klassifizierung als Mysterythriller ist deshalb mehr als gerechtfertigt. Der Schauplatz Göttingen ist eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Tatorten solcher Geschichten, wie zum Beispiel London oder New York, und die Geschehnisse bekommen durch die exakte Ortskenntnis der Autorin eine besonders authentische Note. Teilweise mussten Orte an einen anderen Platz verlegt werden, was die Autorin in ihrem Vorwort aber auch selber zugibt. Dem Lesespaß tut das jedenfalls keinen Abbruch, denn die Charaktere wurden liebevoll ausgearbeitet und mit Sicherheit hat sich die Schriftstellerin ihrer eigenen Studentenzeit in Göttingen erinnert, um so manche Figur glaubhaft darzustellen. Der Plot der Geschichte ist hervorragend recherchiert und bietet einen kleinen Einblick in die ägyptische Götterwelt und die Mythologie des antiken Volkes. Damit hat die Autorin gleich in zweifacher Hinsicht die wichtigste Regel der Schriftstellerei erfüllt: Schreibe über das, worüber du am besten Bescheid weißt!
Wer einen Psychothriller in der Tradition von "Das Schweigen der Lämmer" erwartet, wird sicherlich enttäuscht werden, denn sehr schnell gleitet das Buch in übernatürliche Gefilde ab, ohne von seiner Spannung einzubüßen. Die beißende Kälte, die ständige Dunkelheit und die Unmengen an Krabbeltieren tun ihr Übriges, um eine eindringliche Gruselatmosphäre zu erzeugen. Endlich ein ernsthafter Horrorroman, der sich richtig austobt und auch nicht davor zurückschreckt, eine ganze Stadt ins Chaos zu stürzen, und eine wirklich übersinnliche Komponente ins Spiel bringt.

Die Mordtaten sind äußerst brutal geschildert worden, ergeben aber, im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen, durchaus einen Sinn, zumindest aus der Sicht des Killers. Die Tatorte kann der Göttinger Bewohner oder Tourist heute noch besuchen. Selbst das Wahrzeichen der Universitätsstadt, der Gänselieselbrunnen, wird Schauplatz eines grausigen Verbrechens. Die Protagonisten sind sehr sympathische Zeitgenossen, bis auf den mürrischen Professor, mit dem man nicht nur als Leser erst warm werden muss. Der Antagonist dagegen wurde ein wenig klischeehaft dargestellt und sehr schnell ist klar, wer hinter den Vorkommnissen steckt, wenngleich damit die Identität des Mörders noch lange nicht geklärt ist.
Die Ägyptologen gewöhnen sich sehr schnell an den Gedanken, dass hinter den Taten mehr stecken muss als ein "normaler" Mörder, was in Anbetracht der äußeren Umstände aber auch nicht verwunderlich ist. Die beiden Polizisten, die sympathisch gezeichnete Dorothea Fassbinder und ihr hitzköpfiger Assistent Georg Roeder, sind ganz die nüchtern denkenden Rationalisten, und zumindest letzterer lässt sich fast bis zum Schluss nicht von seinem Standpunkt abbringen, dass es so etwas überhaupt nicht geben kann. Damit steht er stellvertretend für die Menschheit, die sich immer wieder scheut, übernatürlichen Begebenheiten unvoreingenommen gegenüberzutreten.
Der Roman ist rasant geschrieben worden und hat auch keine inhaltlichen Längen, ganz im Gegenteil, zum Ende hin wünscht man sich als Leser doch noch ein paar Seiten mehr hinzu. Und nach dem überraschenden Ende fiebert man praktisch einer Fortsetzung entgegen, die aber wohl noch auf sich warten lässt, denn Katja Reinhardt ist ja keine hauptberufliche Schriftstellerin. Das einzig Störende an dem Buch sind die Druckfehler, die doch etwas überhandnehmen und den Lesefluss etwas ins Stocken brachten. Aber die Story selber ist derart spannend, dass man da gerne drüber hinwegsieht.

Alles in allem eine kurzweilige, hervorragende Mysterygeschichte mitten in Deutschland, die neben einer düsteren Endzeitstimmung auch einen sehr gut recherchierten Hintergrund an ägyptischer Mythologie zu bieten hat.

Florian Hilleberg



Taschenbuch | Erschienen: 1. Februar 2004 | ISBN: 9783828019652 | Preis: 13,50 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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