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Göttliches Spiel erleben - SCION, ein Rollenspiel

Die modernen Religionen, die meist den Monotheismus bevorzugen, sind, neutral betrachtet, eher schlicht und schnörkellos. Früher, als die Menschen noch an mehrere Götter glaubten, waren die Geschichten dazu bunt, farbenfroh und voller Spannung, Energie, Emotionen und teilweise sehr, sehr menschlich. Nicht umsonst gibt es dort genug Sagen um Feindschaften, zweifelhafte Zeugungen von Nachkommen, Intrigen und geheime Liebeleien.

[PIC] Diese verschiedenen Götterwelten bilden die Basis für das neue Rollenspielsystem SCION. In ihm spielt man Abkömmlinge von Göttern, Menschen also, die auf die eine oder andere Weise einen göttlichen Elternteil besitzen. Schließlich gibt es da das Problem der teilweise jungfräulichen Götter, doch dieses wird durch Adoption eines von einem anderen Gott gezeugten Kindes gelöst. Mit im Paket dieser außergewöhnlichen Gene sind auch besondere göttliche Eigenschaften, die der Charakter besitzen kann, und ebenso mächtige Artefakte, passend zum göttlichen Elternteil. Ein leidvoller Teil dieser Herkunft ist meist ebenso eine traumatische Offenbarung eben dieser Wahrheiten, die dafür sorgt, dass die Weltsicht des Kindes auf den Kopf gestellt wird.

Simpler Einstieg

Für Spieler, die gerne den Reiz eines außergewöhnliches Rollenspiels und Charakterkonzeptes erleben wollten, ist diese Spielwelt wunderbar geeignet. Ebenso bietet es sich herrlich für diejenigen an, die Superhelden lieben und schon immer besondere Kräfte besitzen wollten. Und für den Spielleiter ist das Ausdenken von Abenteuern recht simpel, da die einzelnen Episoden in der Realität spielen und so einfach reale Orte als Vorbilder genommen werden können und man sich nicht absurde Örtlichkeiten und Gegenden aus den Fingern saugen muss. Allerdings ist die Lernphase dennoch nicht ganz simpel, denn die einzelnen Pantheone müssen in Erfahrung gebracht werden.

Die griechischen Götter und deren Sagen kennt sicher jeder irgendwoher und auch die nordischen Legenden sind wenigstens in Bruchstücken einigen bekannt. Wenn es aber um die ägyptischen Götter, die aztekischen Himmlischen, das japanische Himmelreich oder die Mächte des Voodoo geht, sieht es wieder anders aus. Hier muss sich jeder erst einmal mit der Geschichte und den Legenden der Götter beschäftigen, damit man eine grobe Vorstellung davon hat, wie deren Glaubenswelt aussieht. Zum Glück steht im Regelbuch allerdings zu jeder Götterwelt und jeder Gottheit eine kurze Charakterskizzierung. Denn daraus muss ein Spieler sich seinen göttlichen Elternteil heraussuchen.

Die Intrige triumphiert

Haben alle Spieler ihre Charaktere erstellt, wird es, sofern ein fähiger Spielleiter anwesend ist, wirklich spannend. Basis des Spiels ist nämlich, dass die einzelnen Götter nicht mit- oder gegeneinander agieren dürfen, um das Gleichgewicht, soziale Bündnisse und alte Verträge nicht zu stören oder zu brechen. Nichts hält sie jedoch davon ab, zu diesem Zweck ihre Nachkommen einzusetzen. Will ein Gott also seinen Rivalen oder Gegner angreifen, dann wird er dafür sorgen, dass er seinen Nachkommen geschickt gegen den des anderen einsetzt.
Hierbei sind die Menschen, mögen sie auch halbgöttliche Fähigkeiten besitzen, oftmals zu klein, um den eigentlichen Plan zu erahnen und wenn sie es tun, dann meist, wenn es schon längst zu spät ist. Solche Zwistigkeiten sind wunderbare Einstiegpunkte und helfen dabei, die Spannung aufrecht zu erhalten. Davon abgesehen gibt es aber auch genug Widersacher, denn wo es ein göttliches Wesen gibt, finden sich auch Persönlichkeiten, die deren Platz einnehmen wollen. Das ist ein Ansatzpunkt für ein lang anhaltendes Kampagnenspiel, das sich mit der Zeit immer weiter zuspitzt, um dann in einem furiosen Finale zu enden. Wer mal von Ragnarök gehört hat, weiß, wie sich so etwas abspielen könnte.

Mixed Pantheon

Möchte man sich aber ein wenig mehr Arbeit machen, kann man das letzte Quäntchen Spaß und Spannung aus dieser Rollenspielwelt herauskitzeln. Schließlich sind die einzelnen Götter kulturell durch die Globalisierung nicht mehr voneinander abgetrennt. Hier können sich ganz interessante und wunderbare neue Verbindungen, Freundschaften oder auch Feindschaften entwickeln. Denn auch die Spielcharaktere werden sich ganz sicher nicht auf ein bestimmtes Pantheon konzentrieren und da ist Fingerspitzengefühl angesagt, welche charakterlichen Eigenschaften des göttlichen Nachwuchses miteinander harmonieren oder eben nicht. Eine rein aztekische Runde könnte aber ebenso interessant sein, da sie vom Hintergrund sehr fatalistisch und blutig angelegt ist. Ebenso wäre ein Einstieg in die Welt des Voodoo eine spannende Erfahrung, wohingegen die nordischen und griechischen Götter sich wunderbar als Einstiegselternteile anbieten, da sich hier jeder Spieler rasch einfühlen kann. Liest man sich durch das Spiel angeregt tiefer in die Legenden ein, eröffnen sich zusätzliche Spielziele.

Unsterblichkeit bedeutet ja nicht unbedingt Vergesslichkeit und so kann es ebenso gut sein, dass der Streit um den Krieg um Troja auf göttlicher Ebene erneut entbrennt. Oder wie wäre es mit dem Versuch, einen neuen Mythos, eine neue Legende ins Leben zu rufen und nach ihr zu spielen?

Werde Legende!

Wie man sieht, ist SCION nicht nur ein weiteres Superheldenspiel, das man der Einfachheit halber in die Gegenwart versetzt hat. Stellt man es geschickt an, lassen sich hier wunderbare Charakterkonzepte entwerfen, epische Schlachten schlagen und man gleichzeitig austesten wie es ist, selbst ein Gott oder wenigstens ein göttliches Wesen zu sein. Und ein ganz natürliches Nebenprodukt ist dabei, dass man neuen Ansporn hat, sich mit den griechischen Legenden, der Edda oder der Kultur der Mayas auseinander zu setzen.
So wird nicht nur der eigene Spielhorizont, sondern ebenso das geschichtliche Wissen und die Kenntnisse der Literatur erweitert. Ein Rollenspiel also, das den Spieler in mehrerlei Hinsicht in unbekannte Gebiete trägt. Wer neugierig ist und es ausprobiert, wird sicher nicht enttäuscht sein. Mit dem Konzept aus Superkräften, Realität und einem Hauch Epos macht SCION einfach eine Riesenmenge Spaß!

Zur Rezension von "SCION" hier bei Media-Mania.de




"Scion" erscheint bei Prometheus Games – mehr Infos gibt es auf der Website des Verlags: www.prometheusgames.de

© Grafik: Prometheus Games

Daniela Hanisch, 29.07.2011